Dienstag, 14. Juli 2015

Philipp Erath - Kirgistan



 Кыргызстанда баары мүмкүн – In Kirgistan ist alles möglich

… war einer der ersten Hinweise, den ich von meinem kirgisischen Gastbruder während unserer gemeinsamen Arbeit im CBT-Büro bekommen habe. Nun, nach 4 Monaten hier in Bokonbaevo, muss ich sagen, dass da tatsächlich so einiges dran ist!

Doch was überhaupt ist CBT und was genau mache ich hier?


CBT bedeutet ‚Community Based Tourism‘ und ist eine Tourismusgesellschaft in Kirgistan, die in fast jeder Stadt und in touristisch-interessanten Gebieten eine beliebte Anlaufstelle für Touristen bietet. So geht es hauptsächlich erst mal um die Vermittlung von Schlafplätzen in Gasthäusern und Jurtencamps. Außerdem werden je nach Region auch Trecking- oder Reittouren sowie Vorstellungen von Adlerjagd und traditionellem Handwerk angeboten. Vor allem für Individualtouristen und Backpacker stellen die vielen CBT-Büros eine einzigartige Möglichkeit dar das ganze Land problemlos und selbstständig zu bereisen.

Beshbarmak
CBT ist allerdings kein Wohlfahrtsverein, das Ziel ist also schon Profit zu erwirtschaften. Dennoch lassen sich die Leitmotive am Namen erkennen: Es soll ein Tourismus in Kooperation mit der lokalen Bevölkerung gefördert werden. So handelt es sich bei den Gasthäusern um Privatleute mit freien Zimmern und einigen Bequemlichkeiten wie Dusche und Toilette und auch die restlichen Angestellten, sei es nun Guide oder Adlerjäger, sind Dorfbewohner, die außerhalb des Tourismus einer anderen Beschäftigung nachgehen. Allerdings ist eine andere Art des Tourismus hier in Kirgistan, bis vielleicht auf die Nordküste des Issyk-Kul, gar nicht möglich, da es erstens an der dementsprechenden Infrastruktur und zweitens an den Massen von Touristen mangelt.


Im Dorf
Ich bin seit August dieses Jahres Freiwilliger im CBT-Büro in Bokonbaevo, das an der touristisch weniger erschlossenen Südküste des Issyk-Kul liegt. Zwar gibt es hier größere Hotelanlagen, allerdings sind die Wenigsten davon in Betrieb oder gar zu Ende gebaut worden. Bokonbaevo ist mit seinen rund 15.000 Einwohnern die größte Stadt auf dieser Seite des Sees und daher ein häufiger Stopp bei Touristen. Neben Trecking- oder Reittouren in die umliegenden Berge ist hier vor allem die Adlerjagd ein beliebtes Angebot des CBT. Bei der doch etwas ungewöhnlichen „Show“ wird ein ausgemergelter Hase freigelassen, auf den sich sogleich ein ausgewachsener Steinadler stürzt. Der ungleiche Kampf endet schließlich damit, dass der Adler, umringt von einer Horde fotografierender Touristen, den Hasen komplett, bis auf das Fell, verspeist.

Anfangs war meine Hauptaufgabe vor allem das Übersetzen zwischen Touristen und meinen Kollegen bzw. meiner Chefin, die kaum Englisch sprechen. Dank meiner ausgezeichneten Kirgisischkenntnisse, hat mir diese Arbeit doch sehr viel Energie geraubt und ich bin abends regelmäßig wie ein Toter ins Bett gefallen. Mittlerweile, da mein Kirgisisch tatsächlich besser und die Touristen weniger geworden sind, ist es sehr überschaubar im kleinen Bokonbaevo. Nach sehr langer Vorbereitungszeit ist es mir nun tatsächlich gelungen einen Englischunterricht auf die Beine zu stellen und so versuche ich nun täglich Kindern und CBT-Angestellten diese Sprache etwas näher zu bringen. Generell ist das Arbeiten hier doch schon etwas anders als in Deutschland. Es ist zwar nicht alles möglich in Kirgistan, aber so einige Sachen lassen sich doch um einiges einfacher und vor allem informeller regeln. So wird vieles auch erst am jeweiligen Tag organisiert, was mir mit meiner deutschen Einstellung hierzu (Das kann man doch auch vorher schon planen!) doch einiges an kultureller Kompetenz abverlangt hat! Schließlich bin ich für die Touristen dann der einzige Ansprechpartner, wenn sie morgens 2 Stunden warten müssen, bis die Pferde für die Tour eingesammelt worden sind und sie endlich loslegen können.


Und was gibt es außerhalb der Arbeit noch so zu tun?

Nun zuerst mal gibt es viele Feste (toi) zu feiern und jeder, der ebenfalls vorhat nach Kirgistan zu kommen, kann sich schon einmal darauf vorbereiten viele Toasts beim Wodkatrinken vortragen zu dürfen. Gäste zu haben ist ein großer Spaß und eine Verpflichtung zu gleich, denn so wird zum Beispiel ein 60ster Geburtstag mit allen Personengruppe wie Kollegen, Freunden und Nachbarn separat gefeiert. Und zu einem solchen Fest wird dann das Kronjuwel der kirgisischen Küche serviert: Beshbarmak. Spätestens bei diesen Anlässen zahlt sich dann auch jede noch so kleine Kenntnis des Kirgisischen aus, denn die Leute freuen sich so sehr, wenn ein Ausländer versucht ihre Sprache zu sprechen. Und so wird man schnell zum Liebling am Dastorkon und darf feste mitprosten.

Dann kann man sich natürlich auch noch die Zeit damit vertreiben dieses wunderschöne Land zu bereisen und die Natur zu bestaunen. Dank meiner Arbeit bei CBT konnte ich schon tolle Reit- und Wandertouren unternehmen und mich jedes Mal aufs Neue erschlagen zu lassen. Leider ist es hierzu mittlerweile definitiv zu kalt und ich muss viel meiner Zeit im Haus verbringen, das leider fast genau so kalt ist wie draußen.


Und zu guter Letzt gibt es da natürlich auch noch die Forschung, welche ständig auf einen wartet! Ich schreibe über die Jurtenproduktion in Kyzyl-Tuu und Bokonbaevo und konzentriere mich dabei auf die Arbeitsteilung innerhalb der Dörfer bzw. zwischen den Akteuren, sowie auf die Variationen der Jurten(-herstellung) im Zusammenhang zu den verschiedenen Zwecken, wofür diese eingesetzt werden. Mein Tipp an alle, die gerade ebenfalls ihr Mobilitätssemester planen ist allerdings Folgender: Plant euch eine separate, freie Zeit für die Forschung ein! Denn ich merke selbst gerade, wie schwierig es ist den Freiwilligendienst und die Forschung zeitgleich unter einen Hut zu bringen. Daher nehme ich mir immer wieder etwas Zeit von der Arbeit frei, um mich dann ausschließlich auf die Forschung konzentrieren zu können. Zum Glück ist das in Kirgistan so einfach möglich…