Donnerstag, 19. November 2015

Dominik Uhl und Anna Nolden aus Tamil Nadu, Indien

Am 24. Juli sind wir, sechs Studenten aus Tübingen, nach Chennai geflogen und von dort aus nach Pondicherry gefahren, einer schönen Stadt an der Ostküste Südindiens, in Tamil Nadu. Dort haben wir die folgenden sechs Wochen einen Tamil Sprachkurs besucht. Wir hatten montags bis samstags jeweils sechs Stunden Unterricht, der immer intensiv, aber vor allem abwechslungsreich und lustig war. Wir waren alle sehr überrascht, wie viel wir gelernt haben und niemand von uns hätte erwartet, dass unser Tamil nach sechs Wochen so gut sein könnte! Während des Sprachkurses wurde uns viel über die tamilische Kunst und Kultur vermittelt, zum Beispiel durch verschiedenste Ausflüge oder künstlerische Darbietungen vor Ort. Die Stimmung im Sprachkurs war sehr angenehm, da es Tamil Schüler aus der ganzen Welt gab, mit denen wir auch außerhalb des Unterrichts viel unternommen haben. Der Kurs war gut strukturiert und die Lehrer waren wirklich nett und sehr hilfsbereit, wenn man mal ein Problem hatte oder einen Ansprechpartner brauchte.
Pondicherry war der ideale Ort, um unseren Indien Aufenthalt zu beginnen. Die „White Town“, eines der Viertel, ist sehr französisch angehaucht und wenn man mal genug hat von der indischen Kultur, kann man dort hin fliehen und in eines der Cafés gehen, von denen es dort einige gibt. Auch in der Umgebung finden sich viele Sehenswürdigkeiten, schöne Strände, große Tempel und einen Mangrovenwald, den man mit dem Boot auf engen Wasserstraßen durchfahren kann. Man kann also immer auch außerhalb des Sprachkurses Ausflüge machen.


Danach hatten wir beide drei Wochen Zeit, die wir nach unserem Belieben nutzen konnten, bevor wir zum Praktikum gefahren sind. Dominik war in der freien Zeit in Pondi und Anna war in Sri Lanka.
Anfang Oktober sind wir dann ins Praktikum bei der ITWWS gefahren, der Irula Tribe Women’s Welfare Society, bei der wir sechseinhalb Wochen verbracht haben. Die Hauptziele der ITWWS sind die Bewahrung der der Kultur der Irula, die Herstellung und Anwendung der traditionellen Medizin und das Informieren der Besucher über die Entwicklung des Bewusstseins für die Natur und gesunde Ernährung. Der Campus befindet sich inmitten eines Dschungels und bietet unter anderem das Medical Center, in dem Medizin hergestellt, von speziellen Heilern angewendet und verkauft wird. Des Weiteren gibt es mehrere Gärtnereien, in denen die Heilpflanzen angebaut werden und eine Training Hall, in der Workshops und Vorträge gehalten werden. Da es hier viele giftige und ungiftige Schlangen gibt, ist bei der ITWWS ein professioneller Irula Schlangenfänger angestellt, dessen Fähigkeiten des Öfteren benötigt wurden.


Wir hatten beide verschiedene Forschungsansätze, durch die die Wahl auf dieses Praktikum gefallen ist. Dominiks Interesse lag in der traditionellen Heilkunde der Irula und deren Anwendung. Anna beschäftigte sich mit den Schlangenfängern und deren Arbeit. Das wurde ihr ermöglicht durch den Schlangenfänger in der ITWWS, sowie einer Organisation, die sich mit Schlangen und der Verarbeitung deren Gifts beschäftigt und die sich in der Nähe der ITWWS befindet.


Wir waren beide begeistert von der Natur und der Ruhe, sowie der Nettigkeit der Menschen, die hier arbeiten. Sie sind sehr nett, hilfsbereit und wir haben oft mit ihnen rumgesessen, Tee getrunken und viel Spaß mit ihnen gehabt. Natürlich war es oft schwierig, von ihnen inhaltliche Informationen zu erhalten, sowie mehr als oberflächliche Gespräche zu führen, da wenige von ihnen Englisch sprechen. Es ist also sehr von Vorteil, beim Sprachkurs gut aufzupassen und so viele Tamilkenntnisse wie möglich mitzunehmen. Alles in allem hat es uns in Indien sehr gut gefallen! Wir haben viele wichtige Erfahrungen gemacht und persönliche Veränderungen an uns vorgenommen, die wir in Deutschland fortführen wollen und auch werden. Wir sind beide der Meinung, Indien hat uns sehr gut getan.

Tobias Matuschek und Sarah Plaza, Tamil Nadu, Indien


Nach der Tamil Summer School in Pondicherry haben wir uns gemeinsam auf den Weg zu unserem Praktikumsort gemacht (PILZ- Home for the Children Okkur, near Sivagangai). Inzwischen ist schon zwei Drittel unserer Praktikumszeit vorüber, mittlerweile sind die letzten 2 Wochen hier im Kinderheim angebrochen. Unsere Einrichtung ist ein christlich organisiertes Heim für Mädchen, welches im Moment 14 Kinder beherbergt. Diese kommen aus Familien, die zu wenig Geld für die Schulausbildung ihrer Kinder haben. Das Ganze wird durch Spendengelder aus Deutschland finanziert. Das Heim könnte man auch als Internat bezeichnen, da die Kinder während der Schulzeit hier wohnen und leben, aber zu Ferienzeiten nach Hause gehen.
Die größte Herausforderung für uns war es am Anfang die ganzen Namen zu merken, da wir fast jeden Tag in anderen Einrichtungen zu Besuch sind und jeder möchte natürlich das man seinen Namen nicht vergisst-da kann man schon durcheinander kommen.
Der Alltag hier ist ziemlich gut durchstrukturiert mit einigen Gebetszeiten/ Lernzeiten/Spielzeiten etc. an denen wir auch teilnehmen.Während die Kinder in der Schule sind, gehen wir andere Bildungseinrichtungen besuchen.
Montags besuchen wir ein nahegelegenes College, in dem Frauen zu Lehrern ausgebildet werden, indem wir mit den Studentinnen interagieren und an Vorlesungen teilnehmen.
Dienstags verbringen wir die Zeit mit Frauen (alle zwischen 18 und 20 Jahren), die gerade auf dem Weg sind Nonnen zu werden, hier haben wir schon am Musikunterricht und an weiteren Unterrichtsstunden teilgenommen. Mittwochs besuchen wir eine Schule, in der wir den Englisch Lehrer während des Unterrichts begleiten, hier sind alle Altersstufen vertreten. Donnerstags haben wir Zeit uns auszuruhen und Freitags begleiten wir die Kinder zur Schule. Durch die ganzen Einrichtungen, welche wir hier in der Umgebung besuchen, haben wir auch unterschiedliche Menschen kennen gelernt und viele neue Erfahrungen sammeln können. Wir wurden dort sehr herzlich aufgenommen und man hat sich über unsere Anwesenheit sehr gefreut. Leider mussten wir auch schlechte Erfahrungen machen, da wir in der Schule von unseren Mädchen keine Erlaubnis mehr haben dort am Schulleben teilzunehmen mit der Begründung, dass wir den Schulalltag durcheinander bringen. Am Wochenende verbringen wir unsere Zeit mit unseren Mädchen. Sonntags ist Gottesdienst in der Kirche, zu dem wir alle gemeinsam gehen.
Wir haben inzwischen auch schon einiges gesehen, da für uns unterschiedliche Ausflüge organisiert wurden (Madurai, Tirunelveli und ein längerer Ausflug in die Berge).
Letzte Woche haben wir einige Zeit im Kinderkrankenhaus in Sivagangai verbracht, da wir beide eine starke Lebensmittelvergiftung hatten. Dank den indischen Ärzten geht es uns jetzt wieder gut. Und natürlich ein Danke an die lieben Menschen hier im Heim, die gut für uns gesorgt haben, dass wir wieder auf die Beine kommen. Natürlich wird auch sonst sehr darauf geachtet, dass es uns gut geht und wir uns wohl fühlen. An dieser Stelle auch ein großes Danke an den Director David, der das hier alles für uns organisiert hat und uns auch herzlich willkommen geheißen hat. Das Heim wurde erst letztes Jahr eröffnet, deswegen waren wir die ersten Praktikanten hier, also war es nicht nur für uns etwas Neues, sondern für alle Beteiligten auch, es hat aber alles super funktioniert.
Wir können jedem ein Praktikum hier im PIlZ-Home empfehlen! Wir haben totale Erfahrungen sammeln können, tolle Menschen kennen lernen dürfen und haben sehr viel Spaß mit den Mädchen.
Wir genießen noch die restliche Zeit hier in Südindien, bevor es für Tobias weiter nach Ahmedabad (Gujarat) zu einem Praktikum in einem Start-up Unternehmen und für Sarah zurück nach Deutschland geht.
Ausflug mit den "werdenden" Nonnen in die Berge

Wir, unsere Mädchen, Director David, Schwester von David und Miss Elisa







Dienstag, 14. Juli 2015

Philipp Erath - Kirgistan



 Кыргызстанда баары мүмкүн – In Kirgistan ist alles möglich

… war einer der ersten Hinweise, den ich von meinem kirgisischen Gastbruder während unserer gemeinsamen Arbeit im CBT-Büro bekommen habe. Nun, nach 4 Monaten hier in Bokonbaevo, muss ich sagen, dass da tatsächlich so einiges dran ist!

Doch was überhaupt ist CBT und was genau mache ich hier?


CBT bedeutet ‚Community Based Tourism‘ und ist eine Tourismusgesellschaft in Kirgistan, die in fast jeder Stadt und in touristisch-interessanten Gebieten eine beliebte Anlaufstelle für Touristen bietet. So geht es hauptsächlich erst mal um die Vermittlung von Schlafplätzen in Gasthäusern und Jurtencamps. Außerdem werden je nach Region auch Trecking- oder Reittouren sowie Vorstellungen von Adlerjagd und traditionellem Handwerk angeboten. Vor allem für Individualtouristen und Backpacker stellen die vielen CBT-Büros eine einzigartige Möglichkeit dar das ganze Land problemlos und selbstständig zu bereisen.

Beshbarmak
CBT ist allerdings kein Wohlfahrtsverein, das Ziel ist also schon Profit zu erwirtschaften. Dennoch lassen sich die Leitmotive am Namen erkennen: Es soll ein Tourismus in Kooperation mit der lokalen Bevölkerung gefördert werden. So handelt es sich bei den Gasthäusern um Privatleute mit freien Zimmern und einigen Bequemlichkeiten wie Dusche und Toilette und auch die restlichen Angestellten, sei es nun Guide oder Adlerjäger, sind Dorfbewohner, die außerhalb des Tourismus einer anderen Beschäftigung nachgehen. Allerdings ist eine andere Art des Tourismus hier in Kirgistan, bis vielleicht auf die Nordküste des Issyk-Kul, gar nicht möglich, da es erstens an der dementsprechenden Infrastruktur und zweitens an den Massen von Touristen mangelt.


Im Dorf
Ich bin seit August dieses Jahres Freiwilliger im CBT-Büro in Bokonbaevo, das an der touristisch weniger erschlossenen Südküste des Issyk-Kul liegt. Zwar gibt es hier größere Hotelanlagen, allerdings sind die Wenigsten davon in Betrieb oder gar zu Ende gebaut worden. Bokonbaevo ist mit seinen rund 15.000 Einwohnern die größte Stadt auf dieser Seite des Sees und daher ein häufiger Stopp bei Touristen. Neben Trecking- oder Reittouren in die umliegenden Berge ist hier vor allem die Adlerjagd ein beliebtes Angebot des CBT. Bei der doch etwas ungewöhnlichen „Show“ wird ein ausgemergelter Hase freigelassen, auf den sich sogleich ein ausgewachsener Steinadler stürzt. Der ungleiche Kampf endet schließlich damit, dass der Adler, umringt von einer Horde fotografierender Touristen, den Hasen komplett, bis auf das Fell, verspeist.

Anfangs war meine Hauptaufgabe vor allem das Übersetzen zwischen Touristen und meinen Kollegen bzw. meiner Chefin, die kaum Englisch sprechen. Dank meiner ausgezeichneten Kirgisischkenntnisse, hat mir diese Arbeit doch sehr viel Energie geraubt und ich bin abends regelmäßig wie ein Toter ins Bett gefallen. Mittlerweile, da mein Kirgisisch tatsächlich besser und die Touristen weniger geworden sind, ist es sehr überschaubar im kleinen Bokonbaevo. Nach sehr langer Vorbereitungszeit ist es mir nun tatsächlich gelungen einen Englischunterricht auf die Beine zu stellen und so versuche ich nun täglich Kindern und CBT-Angestellten diese Sprache etwas näher zu bringen. Generell ist das Arbeiten hier doch schon etwas anders als in Deutschland. Es ist zwar nicht alles möglich in Kirgistan, aber so einige Sachen lassen sich doch um einiges einfacher und vor allem informeller regeln. So wird vieles auch erst am jeweiligen Tag organisiert, was mir mit meiner deutschen Einstellung hierzu (Das kann man doch auch vorher schon planen!) doch einiges an kultureller Kompetenz abverlangt hat! Schließlich bin ich für die Touristen dann der einzige Ansprechpartner, wenn sie morgens 2 Stunden warten müssen, bis die Pferde für die Tour eingesammelt worden sind und sie endlich loslegen können.


Und was gibt es außerhalb der Arbeit noch so zu tun?

Nun zuerst mal gibt es viele Feste (toi) zu feiern und jeder, der ebenfalls vorhat nach Kirgistan zu kommen, kann sich schon einmal darauf vorbereiten viele Toasts beim Wodkatrinken vortragen zu dürfen. Gäste zu haben ist ein großer Spaß und eine Verpflichtung zu gleich, denn so wird zum Beispiel ein 60ster Geburtstag mit allen Personengruppe wie Kollegen, Freunden und Nachbarn separat gefeiert. Und zu einem solchen Fest wird dann das Kronjuwel der kirgisischen Küche serviert: Beshbarmak. Spätestens bei diesen Anlässen zahlt sich dann auch jede noch so kleine Kenntnis des Kirgisischen aus, denn die Leute freuen sich so sehr, wenn ein Ausländer versucht ihre Sprache zu sprechen. Und so wird man schnell zum Liebling am Dastorkon und darf feste mitprosten.

Dann kann man sich natürlich auch noch die Zeit damit vertreiben dieses wunderschöne Land zu bereisen und die Natur zu bestaunen. Dank meiner Arbeit bei CBT konnte ich schon tolle Reit- und Wandertouren unternehmen und mich jedes Mal aufs Neue erschlagen zu lassen. Leider ist es hierzu mittlerweile definitiv zu kalt und ich muss viel meiner Zeit im Haus verbringen, das leider fast genau so kalt ist wie draußen.


Und zu guter Letzt gibt es da natürlich auch noch die Forschung, welche ständig auf einen wartet! Ich schreibe über die Jurtenproduktion in Kyzyl-Tuu und Bokonbaevo und konzentriere mich dabei auf die Arbeitsteilung innerhalb der Dörfer bzw. zwischen den Akteuren, sowie auf die Variationen der Jurten(-herstellung) im Zusammenhang zu den verschiedenen Zwecken, wofür diese eingesetzt werden. Mein Tipp an alle, die gerade ebenfalls ihr Mobilitätssemester planen ist allerdings Folgender: Plant euch eine separate, freie Zeit für die Forschung ein! Denn ich merke selbst gerade, wie schwierig es ist den Freiwilligendienst und die Forschung zeitgleich unter einen Hut zu bringen. Daher nehme ich mir immer wieder etwas Zeit von der Arbeit frei, um mich dann ausschließlich auf die Forschung konzentrieren zu können. Zum Glück ist das in Kirgistan so einfach möglich…



Samstag, 24. Januar 2015

Jan Kohlmeyer - Seoul, Südkorea

Name: Jan Kohlmeyer
Zeitraum: 06.08.2014 – 17.02.2015
Ort: Seoul, Südkorea


“Survival of the Fittest“ in der Ubahn


20.12.2014; 12.54 Uhr; Bomun U-Bahn-Station, Seoul:
Neben mir ein freier Platz und die U-Bahn rollt mit donnernder, aber dennoch sanfter Fahrt Richtung Bomun Station. Als die U-Bahn langsam die Zielgerade erreicht und bereits langsamer wird, stehen die Menschen eng aneinander gestaffelt am Ausgang. Die U-Bahn hält, die Türen brechen auf und die Menschen strömen hinaus. Kaum ist der letzte ausgestiegen beginnt der Umkehrschluss. Zwei koreanische Damen mittleren Alters, die eine am linken Eingang, die andere am rechten, voranstürmend in die, bis auf den Platz links von mir, voll besetzte U-Bahn. Somit beginnt, beide gleich weit weg von mir gestartet, das Rennen um den letzten komfortablen Platz.
Die Frau am linken Eingang gewinnt und ergattert den begehrten Platz. Mit einem verschmitzten Lächeln, so scheint es, triumphiert sie über ihre heutige Kontrahentin. Fast, so wirkt es, treffen sich diese Damen jeden Tag in der U-Bahn und führen ihr eigenes kleines “Survival of the Fittest“ durch, in einer mir bis zum 06.08.2014 unbekannten Welt. 

 Südkorea, ein Land schwankend zwischen Moderne und Tradition wie fast kein zweites. LG, Samsun, Hyundai und noch viele andere Multikonzerne sichern durch die Leitung der Chaebol-Familien den wirtschaftlichen Fortschritt und die Zukunft Koreas, aber dominieren den Wirtschaftsmarkt auch, sodass Klein- und Mittelunternehmen deutlich darunter zu leiden haben. Zu solch einer Familie zählt beispielweise auch Cho Hyun Ah, die durch ihre “nut-rage affair“ fragwürdigen Ruhm auf der ganzen Welt erlangt hat. Auf der anderen Seite dominiert in vielen Lebensphasen das Gedankengut des Konfuzianismus den sozialen Alltag auf der koreanischen Südseite der Halbinsel und bewahrt traditionelle Werte. Gerade in der Altersordnung werden diese Lehren auch im Alltag immer wieder deutlich, da jüngere Menschen älteren Respekt zollen müssen.

Somit beginnt meine Geschichte in der Hauptstadt Südkoreas. Seoul, eine Stadt die mit der geographischen Größe Berlins, aber mit der vierfachen Einwohnerzahl, eine der am dicht bevölkertsten Metropolen der Welt darstellt. Eine Welt voller Gegensätze – von modernsten Ideen und Entwicklungen, gerade im Elektrobereich, bis hin zu provisorisch verlegten Stromkabeln wohin das Auge reicht. Eine Welt, in der das Handy allgegenwärtig zu sein scheint und eine ganz neue Dimension von sozialem Status einnimmt. Beim gemeinsamen Abendessen- bzw. abendlichen Soju-Genuß mit Freunden jedoch wird dieses kleine technische Wunderwerk meist – so scheint es – als unsoziales, unhöfliches Mittel gesehen.
In diese faszinierende Welt bin ich am 06.08.2014 vom Frankfurter Flughafen aus in Richtung Seoul, mit Zwischenstopp in Helsinki, aufgebrochen. Auf diesem langen schlaflosen Flug machte ich bereits erste Bekanntschaften mit deutschen Studenten, mit denen ich später mancherlei Ecken in Seoul, wie beispielsweise den Fischmarkt, erkundete.
Nach dem kräftezehrenden Flug wurde ich von einer Freundin, die mit mir im koreanisch Sprachkurs war, abgeholt und von ihr erhielt ich erste Instruktionen die mir für mein zukünftiges halbes Jahr von nutzen sein sollten.
Im Hostel (Auf koreanisch goshiwon 고시원 genannt) angekommen, erwartete mich eine kleine Überraschung in Form eines kleinen Zimmers, so wie ich es vorher noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Kaum größer als Harry Potters Abstellkammer wurde ich in der ersten Nacht untergebracht, da der Verwalter des Hostels meine Buchung für ein großes Zimmer übersehen hatte. (Ich konnte, wenn ich meine Arme ausstreckte, jede Wand berühren wenn ich in der Mitte des Zimmers stand.)


                                            Nach einer ungemütlichen und kurzen Nacht konnte ich endlich in ein größeres Zimmer umziehen, das  immer noch klein, aber zumindest erträglich war.
Danach durchlebte ich nun meinen ersten Monat in dieser aufregenden Stadt, in dem ich mit neu gewonnenen Freunden aus dem Flugzeug, aber auch mit Freunden die mich von Zuhause besuchten, die Stadt erkundete. Wir besichtigten gemeinsam Sehenswürdigkeiten wie den Namsan Tower, von dem man einen wundervollen Blick auf die Stadt genießen kann, den berühmten Fischmarkt in Seoul, oder auch den größten Palast in Seoul, den Gyeongbokgung Palace. Dank der unerträglichen Schwüle, die sich über der Stadt im August erhob, hatte ich zunächst Schwierigkeiten mich an die Stadt zu gewöhnen. Diese dämpfige Luft blieb mir auch bis Ende September erhalten, bis ein wunderschöner Herbst folgte.

Jedenfalls begann dann im September mein Praktikum bei der Hanns-Seidel-Stiftung Korea. Die Hanns-Seidel-Stiftung Korea befasst sich vor allem mit der Thematik einer friedlichen Wiedervereinigung zwischen Süd- und Nordkorea. Die Stiftung verfügt über Partnerschaften und Projekte (Meist Energie- und Umweltprojekte) in Nordkorea und verfügt somit Zugang zu einem der, beziehungsweise dem, mysteriösesten Länder/Land der Welt. Ich erfuhr von der Stiftung bereits in Tübingen durch einen Bekannten der zuvor dort ein Praktikum absolviert hatte und mir dieses weiterempfahl.

Während der Arbeit lernte ich  zwei Praktikanten kennen, mit denen ich die meiste freie Zeit der nächsten zwei Monate verbringen sollte. Zusammen erkundeten wir beispielsweise die DMZ – die berühmte demilitarisierte Zone – den “Todesstreifen“. Berüchtigt als 38er Breitengrad, zwischen dem die zwei einst vereinten Teile Koreas auseinandergerissen wurden. Eigentlich komisch, denn dies war bis zu dieser Zeit hin mein erster Ausflug, um der stickigen Luft Seouls zu entkommen, und gerade an diesem “Todesstreifen“, fühlte ich mich so entspannt wie lange nicht mehr. Der frische Wind wehte einem ins Gesicht und die Natur schlug ihre Wurzeln, in dem seit langer Zeit unberührtem Touristengebiet. Erst als ich an einem Aussichtspunkt über die Klippe schaute und unweit entfernt das Gebiet Nordkorea erblickte wurde mir mulmig zumute.
Meine Hauptaufgabe in der Stiftung befasste sich vor allem mit einem Projekt namens Gobitec, einem Energieprojekt, bei dem nach dem ähnlichen Prinzip von Desertec in der MENA Region, die nordostasiatischen Metropolen mit sauberer, grüner Energie versorgt werden sollen. Dieses Projekt begleitete mich während den folgenden fünfeinhalb Monaten Praktikumszeit und nahm einen Großteil meiner Arbeitszeit in Anspruch. Ich bereitete mich durch intensives Lesen darauf vor, verfasste Artikel, stellte eine lange Bibliographie zusammen und begann mit der Kreierung einer neuen Gobitec-Webseite.  

Mitte September startete dann mein 10-wöchiger Intensivsprachkurs an der Hanyang University. Intensiv trifft es sehr, da ich vormittags arbeitete und im Anschluss täglich vier Stunden lang Sprachkurs hatte. Da die Lehrerin in den vier Stunden kaum ein Wort Englisch sprach, hatte zunächst ich enorme Schwierigkeiten mitzukommen. Somit bestand in den zehn Wochen mein Alltag aus der täglich wiederkehrenden Routine: 8 Uhr morgens aus dem Haus, arbeiten und Sprachkurs, um 7 Uhr abends daheim angekommen, circa zwei Stunden lang Hausaufgaben täglich und im Anschluss noch Berichte schreiben. Somit blieb wenig Zeit für Lernen und Freizeit. Meine wenige freie Zeit nutzte ich für bereits erwähnte Ausflüge oder Fußball zu spielen, mit dem neu kreierten Team aus internationalen Studenten der Hanyang University, welches ich mitorganisierte. Hierbei lernte ich auch einen weiteren guten Freund kennen, mit dem ich vor allem die letzten zwei Monate meine Freizeit verbrachte. 

Durch den Sprachkurs, den ich zum Glück bestanden habe, verbesserte sich mein Koreanisch enorm, jedoch blieb mir das flüssige Sprechen im Alltag immer noch ein Rätsel.
Nach dem Abschluss des Sprachkurses begann ich Vollzeit bei der Hanns-Seidel-Stiftung zu arbeiten und beschäftigte mich neben meinem Projekt meist mit dem Übersetzen von Texten, dem Erstellen von Researchs oder auch der Teilnahme an Konferenzen wie beispielsweise der “Seoul Climate Change Conference“. Zudem war eine der Hauptaufgaben das Sammeln von Zeitungsartikeln zum Thema “Asien Integration“. Dank dieser Tätigkeit vertiefte ich mein Wissen, nicht nur über Korea, sondern über den ganzen asiatischen Raum und mir wurde ein neuer Fokus auf das Weltgeschehen gegeben.

Mein größtes Problem, auf das ich in dieser Zeit stieß, war das Anfreunden mit Koreanern. Da ich über einen langen Zeitraum wenig freie Zeit zur Verfügung hatte, viel es mir schwer Koreaner kennen zu lernen und zu dem fehlte mir anfangs ein bisschen der Mut. Im November hatte ich dann das große Glück das ein neuer koreanischer Englischübersetzer in meiner Stiftung eingestellt wurde, mit dem ich mich sogleich anfreundete und in den letzten drei Monaten viel unternahm. Durch ihn erhielt ich einen tiefen Einblick in die koreanische Mentalität und Denkweise und gleichzeitig vermittelte ich ihm Wissen über Deutschland, da er sehr interessiert an Deutschland ist. Zudem bot sich mir die Möglichkeit Menschen aus ganz Asien kennenzulernen, wie beispielsweise einen Freund auch aus der Mongolei, bei dem ich sogar zum Essen nach Hause eingeladen wurde.

Eines der Dinge die ich wohl am meisten vermissen werde ist, abgesehen von neu gewonnenen Freunden und der bezaubernden Stadt, das koreanische Essen. Zuvor hatte ich so manches über die koreanische Küche gehört, gerade im Bezug auf die Schärfe. Jedoch hat mich das koreanische Essen mit seiner Vielfältigkeit für sich gewonnen.
Der Höhepunkt meines Aufenthaltes stellte ein Trip nach Goseong mit den Praktikanten und Mitarbeitern meiner Stiftung dar. Goseong ist ein Landkreis im nordöstlichsten Teil Koreas, ungefähr 20 Kilometer entfernt zur nordkoreanischen Grenze und angrenzend ans Meer. Die Hanns-Seidel-Stiftung verfügt dort über ein „Wood- and Culture Project“, bei dem bereits ein Naturpfad entstand und derzeit über die Installation von Solarzellen diskutiert wird.  Während dieser Tour erblickten wir


nicht nur wunderschöne und faszinierende Landschaften, sondern lernten die Dorfbewohner von einem kleinen Dorf kennen. In diesem Zusammenhang verdeutlichte sich das Problem der Städteabwanderung der jungen Leute vom Land in die Stadt in aller Deutlichkeit. Der jüngste Bewohner des Dorfes, und gleichzeitig auch der Dorfsprecher, war 54 Jahre alt. Dies ist keine Rarität in Korea, da diese Abwanderung der Jugend in Städte, wie Seoul oder Busan, enorme strukturelle Problem darstellt. Wir wurden durch die Dorfbewohner in aller Herzlichkeit willkommen geheißen und zum Essen eingeladen. Dies fand in einer Art Gemeindehaus statt, in dem wir mit circa 30 von ihnen zusammen auf dem Boden saßen und selbst gemachten Tofu mit “Side-Dishes“ gegessen haben. Ich werde diesen Tag und die Menschen in dem kleinen Gemeindehaus so schnell nicht mehr vergessen.
Somit endet langsam meine faszinierende Zeit in Seoul, die mir so viel für mein zukünftiges Leben mit auf den Weg gegeben hat. Zum einen verstehe ich nun die Welt, in der sich Koreaner befinden, besser und gleichermaßen empfindliche Themen, wie beispielsweise Nordkorea oder die problematische Beziehung von Korea und Japan. Zudem habe ich viel über die koreanische Geschichte, Kultur und den koreanischen Alltag gelernt.
Bald werde ich Seoul mit einem weinenden, aber auch lächelnden Auge verlassen, da ich endlich wieder meine Freundin, Freunde und Familie wiedersehen kann, aber auch gut gewonnene Freunde zurück lassen werde. Zunächst jedoch werde ich mit meiner Freundin, die mich zuerst in Seoul besuchen wird, einen Ausflug auf die Philippinen machen, um den kalten Winter in Seoul aus den Gliedern zu schütteln.
Und möglicherweise führen die Damen aus der U-Bahn, die am Anfang beschrieben wurden, ihren eigenen kleinen Wettkampf fort, bis zu meinem nächsten Besuch in Seoul.