Mittwoch, 18. Dezember 2013

Friedemann Weihs - Pingdong, Taiwan

Friedemann Weihs – Pingdong, Taiwan
Auslandsaufenthalt: September 2013 - Februar 2014


Eine Reise von tausend Meilen beginnt unter deinem Fuß (Dao de jing)


Doch die Reise beginnt nicht mit dem Verlassen des eigenen Hauses. Sie beginnt schon mit der Vorbereitung. So war es lange Zeit für mich nicht klar, wo hin es eigentlich genau gehen soll. Es sollte ein chinesisch-sprachiges Land sein, um meine Sprachkenntnisse zu vertiefen.
Ich überlegte mir etwas in den Städten Singapur, Hongkong und Shanghai zu machen – studieren oder arbeiten, doch irgendwie klappte nichts davon.
Also wie sollte es weitergehen?! Durch Zufall sah ich eine Rundmail im Verteiler des sinologischen Seminars, dass das Ministerium für Bildung der taiwanischen Regierung kurzfristig weitere “Huayu”-Sprachstipendien ausschrieb. Die Entscheidung musste über das Wochenende gefällt werden. Es gab einen weiteren Monat Zeit alle nötigen Unterlagen zusammen zu bekommen.
Die Entscheidung meinerseits war also getroffen: Diese Chance nehme ich war – und es klappte!
Doch bevor ich das Stipendium antreten sollte, mussten weitere Dokumente eingereicht werden bei der Sprachschule der National Pingdong University of Education (NPUE), für die ich mich
Doch irgendwie gab es mit der Ausstellung ein Problem, da aus Kostengründen kein Arzt bereit war solch einen Test zu machen. Die Uhr tickte weiter, bis das Gesundheitsamt einlenkte und direkt eine Röntgenuntersuchung bewilligte.
Wenige Stunden vor der offiziellen Frist waren alle Dokumente nun beisammen und ich nun offizieller Huayu-Stipendiat.
Die ersten Schritte der Reise waren von mir nun begangen worden.



Aller Anfang ist schwer


Nach rund 24 Stunden Reisezeit um von einem kleinen Ort in Süddeutschland zu meinem Zielort zu gelangen, erwartete mich in Pingdong dennoch kein Bett. Zuerst wurde ich vom Abholservice der NPUE zu eben jener gebracht, um meine Betreuer kennenzulernen und um das Wohnheim zu besichtigen, ob es denn meinen Belangen reichen würde. Da ich mir vornahm unter Studenten zu wohnen, war für mich ein Mehrbettzimmer und Gruppenduschen kein großes Hindernis.
Die ersten beiden Wochen hingegen wurden zu einer echten Probe.
Mit der Ankunft in Taiwan meldete sich mein Körper. Die Hitze und die Luftfeuchtigkeit der Tropen machten sich stark bemerkbar in Form von Schweißbädern und darausresultierender Erkältung.
Die unausgewogene Ernährung half auch nicht bei der Akklimatisierung. Aber wie sollte ich nun von dem äußerst praktischen (und weniger gesundem) Essen von 7-eleven und FamilyMart – zwei äußerst wichtigen Convenience Store-Ketten in Taiwan – wegkommen, wo man kaum Sprachkenntnisse braucht, um sein fertiges Essen zu bekommen? Selber kochen geht in einem taiwanischen Wohnheim nicht, wenn man von Fertignudeln absieht.
Also Anwenden der Grundregeln: Kannst du etwas nicht, dann frag nach und beobachte, wie es die anderen machen.
Dennoch gehört nach drei monatigem Aufenthalt der tägliche Gang zu einem der beiden Lädenketten dazu. Immerhin sind drei Mahlzeiten basierend auf Reis oder Nudeln selbst für Taiwanesen zu viel (auch wenn diese es auf ganze zwei schaffen). Außerdem gehören die Lädenketten zum täglichen Leben dazu. Das meiste was man braucht findet man dort. Kaufen von Lebensmittel, Süßkram, Zeitungen, Hygieneutensilien, die Paketaufgabe und auch Bezahlung der Rechnungen und Parktickets ist dort möglich.
Bei dem anfänglichen Behördengängen zur Registrierung als Ausländer mit vorrübergehendem Wohnsitz in Taiwan – was sich als notwendig herrausstellte, wenn man ein Bankkonto oder eine SIM-Karte möchte – half mir zum Glück meine Betreuerin, denn die Bürokratie hat deutsche Ausmaße, ohne deren “Präzision”. Das bedeutet, dass selbst die zuständigen Beamten nicht hinterherkommen mit Änderungen und Sonderregelungen, was dazu führt, dass auch meine sonst ruhige und gelassene Betreuerin kurzzeitig schroff wurde.
Eine weitere Herausfordung stellte sich mir beim Straßenverkehr. Für jemanden, der nur die deutsche Straßenkultur gewöhnt ist, erwartet in Taiwan ein heilloses Chaos. Was für mich nicht gerade ungefährlich war.
Zum Glück für Ausländer weiß anscheinend jeder Straßenteilnehmer, dass “Amerikaner” auf taiwanischen Straßen überfordert sind und fahren wesentlich vorsichtiger, wenn sie einen sehen. 
Mittlerweile sind mir die meisten Grundregeln klar. die befolgt werden sollten. Ein wichtiger Schritt, auch wenn ich mich noch immer nicht wage, selbst auf ein Fahrrad oder Motorroller (wohl das wichtigste Transportmittel überhaupt) zu setzen.





Lerne nicht um einiges zu verstehen, lerne um die Welt zu verstehen.


Der Schwerpunkt meiner Reise sollte das Lernen der Sprache und der Kultur werden. Durch das Stipendium ergab sich auch, wieviel Zeit ich mindestens dafür investieren muss: 15 Stunden pro Woche plus Hausaufgabe – also ein Vollstudium.
Durch die bestehenden Sprachprobleme, dass ich mehr chinesisch verstehe als spreche – was aber leider auch nicht genug ist – musste ich mich erstmal von der Idee verabschieden, dass ich direkt mit der Bearbeitung meiner Forschungsfrage zum Thema der “gelebten Religiösität bei Studierenden” anfangen kann.
Da ich trotz Studiums genug Zeit hatte (und habe) dennoch etwas nebenher zu machen, entschloß ich mich, einem studentischen Club beizutreten.
Die Auswahl die mir dabei geboten wurde, war enorm. Nach längerem Überlegen entschied ich mich dabei für etwas kulturelles: dem Aboriginal Culture Club. Wie ich dort erfuhr gibt es in Taiwan 14 offiziell anerkannte indigene Gruppen und weitere (noch) nicht anerkannte. Der Club konzentriert sich dabei hauptsächlich auf das Lernen und Lehren der Tänze und Gesänge dieser Gruppen, um diese zu erhalten. Somit lerne ich nun etwas, was ich vorher als unsportlicher Mensch nie in Betracht ziehen wollte – und ich bin immer wieder erstaunt darüber,  welche Gelassenheit die Clubmitglieder an den Tag legen, trotz der Verständigungsschwierigkeiten und dem schwerfälligem Lernen der Tänze meinerseits.
Doch man ist nicht nur Lernender, sondern auch Lehrender. Aus diesem Grund wurde ich von meinen Betreuern gebeten an einem Projekttag an einer Schule teilzunehmen und einer Schulklasse etwas über Deutschland zu erzählen.
Wie es nunmal aber ist, wurde mir vier Tage vorher kurz mitgeteilt, dass es eine kleine Planänderung gab. Aus einer Klasse wurden eben 17. Also musste das Programm überarbeitet werden, denn Gruppenarbeiten mit geschätzten 500 Schülern funktioniert nicht. Aber auch diese Herausforderung konnte ich – auch dank der Übersetzungen der Englischlehrer – überwinden.



Keine Straße ist zu lang an der Seite eines Freundes.


Nun hat für mich die zweite Hälfte meines Auslandsaufenthaltes und der dritte Teil meiner Reise begonnen. Ich bin nicht mehr so planlos wie zu Beginn meiner Reise.
Das neue ist nicht mehr ganz so neu, aber immernoch faszinierend. Es steht mir noch eine ganze Menge Arbeit bevor und auch eine ganze Menge Erfahrungen, die sich schon angekündigt haben und wohl noch mehr, die spontan durch ein kleines Gespräch am Rande mit einem Fremden geschehen.
Das was ich bisher am häufigsten erfahren habe:
Fremde werden zu Lehrern und Lehrer zu Freunden.


Ich wünsche euch schöne Festtage!

Montag, 9. Dezember 2013

Darya Czepurnyi - London, England



Darya Czepurnyi – London, England

Fast jeder Europäer war schon einmal in der Metropole London - sei es mit der Schulklasse, oder auch so, für einen Kurztrip. London zählt zu der bevölkerungsreichsten Stadt der EU, in der um die 8 Millionen Menschen leben, was man auch deutlich zu spüren bekommt. Egal, welcher Wochentag gerade ist, es ist immer viel los auf den Straßen. Auch ich bin bereits schon vor diesem Aufenthalt als Tourist in London unterwegs gewesen, und habe  mir die üblichen Sehenswürdigkeiten, wie den Buckingham Palast, Big Ben, Tower Bridge etc. angeguckt. 

[Photo by Darya Cz.; taken 2/10/2013]


Es ist jedoch ein großer Unterschied, ob man als Tourist nach London kommt und nach einigen Tagen wieder nach Hause fährt, oder aber für längere Zeit hier wohnen bleibt. Man betrachtet diese Stadt einfach mit anderen Augen. Als Tourist ist man im ersten Moment von der Größe und den gigantischen Bauten dieser Stadt überwältigt. Aus den Augen eines neuen Einwohners stellt man jedoch sehr schnell die Unterschiede und die Eigenarten fest, an die man sich erst einmal gewöhnen muss. Eines der Eigenarten sind die separaten Wasserhähne am Waschbecken - einen fürs heiße, und den anderen fürs kalte Wasser. Da fragt man sich schon, wer sich so etwas ausgedacht hat, und welche Logik da hinter steckt?! 

Bereits während der Planung, meine Forschung in England durchzuführen war mir bewusst, dass das Leben in England, speziell in London, sehr teuer ist. Aber die tatsächlichen Kosten bekommt man erst vor Ort zu spüren, Trotzdem habe ich es gewagt, auch ohne Stipendium, Auslandsbafög oder anderer finanzieller Hilfen nach England zu gehen, um dort meine Forschung zu Russisch-sprachigen Migranten in England durchzuführen. Zum einen ist es der Lebensstandard, der in England um einiges niedriger ist, als in Deutschland. Das sieht man schon an der Qualität der Zimmer, die einem hier zur Miete angeboten werden. Die Nachfrage an Wohnraum scheint hier sehr groß zu sein, so dass die Immobilienmakler ihren Profit daraus schlagen können.

Meine erste Station in England war Cuffley, ein kleines, wohlhabendes Dorf mit gerade mal 4.000 Einwohnern. Cuffley liegt im Bezirk von Welwyn Hatfield, im Süd-Osten von Hertfordshire. Mit dem Zug erreicht man das Zentrum Londons in gerade mal 30 Minuten. In Cuffley war ich in einer Familie mit zwei kleinen Kindern untergebracht, was für die  Verbesserung meiner Englischkenntnisse von Vorteil war. Außerdem ist es von den Mietpreisen her natürlich günstiger, als im Zentrum Londons zu wohnen.  

[Photo by Darya Cz.; taken 8/11/2013]
Zu meiner Forschung kann ich sagen, dass man in Deutschland kaum etwas über russisch-sprachige Migranten in England weiß, und auch in der wissenschaftlichen Literatur setzt sich kaum jemand mit diesem Thema auseinander. Öffnet man jedoch im Internet die Seite der russischen Botschaft in Großbritannien, so war auch ich überrascht zu sehen, wie viele russische Vereine/Organisationen in ganz England verstreut sind. Die meisten davon befinden  sich jedoch in London. Nach der Kartierung des International Organization of Migration (IOM) von 2007 in London, leben in England um die 300.000 Russen und russisch-sprachige Personen, Die meisten davon in Greater London, welches die zentralen Bezirke City of London, City of Westminster sowie 31 weitere Londoner Stadtbezirke (London Boroughs) umfasst. 300.000  scheint zunächst nicht sehr viel zu sein. Das liegt jedoch daran, dass die Größe der russischen Diaspora in England schwer zu fassen ist. Die Personen, die die russische Sprache sprechen, sich selbst als Russen und auch von anderen als Russen gesehen werden, müssen nicht zwingend Russen sein. Sie können genauso aus der ehemaligen Sowjetunion stammen, und wurden somit nicht in der Erhebung des International Organization of Migration mit aufgenommen. Deswegen sieht es ganz danach aus, dass in England sehr viel mehr russisch-sprachige Migranten leben, als aus den Statistiken hervorgeht. Durch den Kontakt zur russischen Schule “Znaniye Education Centre” in London und im Interview mit der Leiterin der Schule habe ich erfahren, dass auch dort nicht nur Russen, sondern immer mehr Kinder aus russisch-sprachigen Familien, die schon in England geboren sind, die Schule besuchen. Was mich persönlich jedoch sehr überrascht hat war, dass auch andere Nationalitäten, wie z.B. Araber, den Russischunterricht besuchen. Der Grund dafür sei wohl die hohe Nachfrage an Russischkenntnissen auf dem britischen Arbeitsmarkt, da wohl immer mehr Beziehungen zu russischen Firmen aufgebaut werden. Die Russische Schule wurde im Jahr 2003 gegründet, und hat am 8.11.2013 ihr 10-jähriges Jubiläum gefeiert, an dem ich dabei sein durfte.