Auslandsaufenthalt: September 2013 - Februar 2014
Eine Reise von tausend Meilen beginnt unter deinem Fuß (Dao de jing)
Doch die Reise beginnt nicht mit dem Verlassen des eigenen Hauses. Sie beginnt schon mit der Vorbereitung. So war es lange Zeit für mich nicht klar, wo hin es eigentlich genau gehen soll. Es sollte ein chinesisch-sprachiges Land sein, um meine Sprachkenntnisse zu vertiefen.
Ich überlegte mir etwas in den Städten Singapur, Hongkong und Shanghai zu machen – studieren oder arbeiten, doch irgendwie klappte nichts davon.
Also wie sollte es weitergehen?! Durch Zufall sah ich eine Rundmail im Verteiler des sinologischen Seminars, dass das Ministerium für Bildung der taiwanischen Regierung kurzfristig weitere “Huayu”-Sprachstipendien ausschrieb. Die Entscheidung musste über das Wochenende gefällt werden. Es gab einen weiteren Monat Zeit alle nötigen Unterlagen zusammen zu bekommen.
Die Entscheidung meinerseits war also getroffen: Diese Chance nehme ich war – und es klappte!
Doch bevor ich das Stipendium antreten sollte, mussten weitere Dokumente eingereicht werden bei der Sprachschule der National Pingdong University of Education (NPUE), für die ich mich
Doch irgendwie gab es mit der Ausstellung ein Problem, da aus Kostengründen kein Arzt bereit war solch einen Test zu machen. Die Uhr tickte weiter, bis das Gesundheitsamt einlenkte und direkt eine Röntgenuntersuchung bewilligte.
Wenige Stunden vor der offiziellen Frist waren alle Dokumente nun beisammen und ich nun offizieller Huayu-Stipendiat.
Die ersten Schritte der Reise waren von mir nun begangen worden.
Aller Anfang ist schwer
Nach rund 24 Stunden Reisezeit um von einem kleinen Ort in Süddeutschland zu meinem Zielort zu gelangen, erwartete mich in Pingdong dennoch kein Bett. Zuerst wurde ich vom Abholservice der NPUE zu eben jener gebracht, um meine Betreuer kennenzulernen und um das Wohnheim zu besichtigen, ob es denn meinen Belangen reichen würde. Da ich mir vornahm unter Studenten zu wohnen, war für mich ein Mehrbettzimmer und Gruppenduschen kein großes Hindernis.
Die ersten beiden Wochen hingegen wurden zu einer echten Probe.
Mit der Ankunft in Taiwan meldete sich mein Körper. Die Hitze und die Luftfeuchtigkeit der Tropen machten sich stark bemerkbar in Form von Schweißbädern und darausresultierender Erkältung.
Die unausgewogene Ernährung half auch nicht bei der Akklimatisierung. Aber wie sollte ich nun von dem äußerst praktischen (und weniger gesundem) Essen von 7-eleven und FamilyMart – zwei äußerst wichtigen Convenience Store-Ketten in Taiwan – wegkommen, wo man kaum Sprachkenntnisse braucht, um sein fertiges Essen zu bekommen? Selber kochen geht in einem taiwanischen Wohnheim nicht, wenn man von Fertignudeln absieht.
Also Anwenden der Grundregeln: Kannst du etwas nicht, dann frag nach und beobachte, wie es die anderen machen.
Dennoch gehört nach drei monatigem Aufenthalt der tägliche Gang zu einem der beiden Lädenketten dazu. Immerhin sind drei Mahlzeiten basierend auf Reis oder Nudeln selbst für Taiwanesen zu viel (auch wenn diese es auf ganze zwei schaffen). Außerdem gehören die Lädenketten zum täglichen Leben dazu. Das meiste was man braucht findet man dort. Kaufen von Lebensmittel, Süßkram, Zeitungen, Hygieneutensilien, die Paketaufgabe und auch Bezahlung der Rechnungen und Parktickets ist dort möglich.
Bei dem anfänglichen Behördengängen zur Registrierung als Ausländer mit vorrübergehendem Wohnsitz in Taiwan – was sich als notwendig herrausstellte, wenn man ein Bankkonto oder eine SIM-Karte möchte – half mir zum Glück meine Betreuerin, denn die Bürokratie hat deutsche Ausmaße, ohne deren “Präzision”. Das bedeutet, dass selbst die zuständigen Beamten nicht hinterherkommen mit Änderungen und Sonderregelungen, was dazu führt, dass auch meine sonst ruhige und gelassene Betreuerin kurzzeitig schroff wurde.
Eine weitere Herausfordung stellte sich mir beim Straßenverkehr. Für jemanden, der nur die deutsche Straßenkultur gewöhnt ist, erwartet in Taiwan ein heilloses Chaos. Was für mich nicht gerade ungefährlich war.
Zum Glück für Ausländer weiß anscheinend jeder Straßenteilnehmer, dass “Amerikaner” auf taiwanischen Straßen überfordert sind und fahren wesentlich vorsichtiger, wenn sie einen sehen.
Mittlerweile sind mir die meisten Grundregeln klar. die befolgt werden sollten. Ein wichtiger Schritt, auch wenn ich mich noch immer nicht wage, selbst auf ein Fahrrad oder Motorroller (wohl das wichtigste Transportmittel überhaupt) zu setzen.
Lerne nicht um einiges zu verstehen, lerne um die Welt zu verstehen.
Der Schwerpunkt meiner Reise sollte das Lernen der Sprache und der Kultur werden. Durch das Stipendium ergab sich auch, wieviel Zeit ich mindestens dafür investieren muss: 15 Stunden pro Woche plus Hausaufgabe – also ein Vollstudium.
Durch die bestehenden Sprachprobleme, dass ich mehr chinesisch verstehe als spreche – was aber leider auch nicht genug ist – musste ich mich erstmal von der Idee verabschieden, dass ich direkt mit der Bearbeitung meiner Forschungsfrage zum Thema der “gelebten Religiösität bei Studierenden” anfangen kann.
Da ich trotz Studiums genug Zeit hatte (und habe) dennoch etwas nebenher zu machen, entschloß ich mich, einem studentischen Club beizutreten.
Die Auswahl die mir dabei geboten wurde, war enorm. Nach längerem Überlegen entschied ich mich dabei für etwas kulturelles: dem Aboriginal Culture Club. Wie ich dort erfuhr gibt es in Taiwan 14 offiziell anerkannte indigene Gruppen und weitere (noch) nicht anerkannte. Der Club konzentriert sich dabei hauptsächlich auf das Lernen und Lehren der Tänze und Gesänge dieser Gruppen, um diese zu erhalten. Somit lerne ich nun etwas, was ich vorher als unsportlicher Mensch nie in Betracht ziehen wollte – und ich bin immer wieder erstaunt darüber, welche Gelassenheit die Clubmitglieder an den Tag legen, trotz der Verständigungsschwierigkeiten und dem schwerfälligem Lernen der Tänze meinerseits.
Doch man ist nicht nur Lernender, sondern auch Lehrender. Aus diesem Grund wurde ich von meinen Betreuern gebeten an einem Projekttag an einer Schule teilzunehmen und einer Schulklasse etwas über Deutschland zu erzählen.
Wie es nunmal aber ist, wurde mir vier Tage vorher kurz mitgeteilt, dass es eine kleine Planänderung gab. Aus einer Klasse wurden eben 17. Also musste das Programm überarbeitet werden, denn Gruppenarbeiten mit geschätzten 500 Schülern funktioniert nicht. Aber auch diese Herausforderung konnte ich – auch dank der Übersetzungen der Englischlehrer – überwinden.
Keine Straße ist zu lang an der Seite eines Freundes.
Nun hat für mich die zweite Hälfte meines Auslandsaufenthaltes und der dritte Teil meiner Reise begonnen. Ich bin nicht mehr so planlos wie zu Beginn meiner Reise.
Das neue ist nicht mehr ganz so neu, aber immernoch faszinierend. Es steht mir noch eine ganze Menge Arbeit bevor und auch eine ganze Menge Erfahrungen, die sich schon angekündigt haben und wohl noch mehr, die spontan durch ein kleines Gespräch am Rande mit einem Fremden geschehen.
Das was ich bisher am häufigsten erfahren habe:
Fremde werden zu Lehrern und Lehrer zu Freunden.
Ich wünsche euch schöne Festtage!
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