Dienstag, 7. Januar 2014

Heather Attwood - Neu-Delhi, Indien



Welcome to an indian winterwonderland


Auslandssemester in Neu-Delhi vom 26.September 2013 – 30. Januar 2014.

Meine Reise in das indische Winterwunderland begann am 25. September 2013 – nun ja, eigentlich begann die Reise da erst in das indische Wunderland. Am 26. September erreichte ich die Hauptstadt Neu-Delhi am frühen Morgen und erlebte somit gleich das Erwachen der Stadt. Trotz der ungewohnten Umgebung und der vielen, Vielen, VIELEN Menschen war ich recht ruhig geblieben und weniger überfordert als ich erwartet hatte. Nach vier Tagen Eingewöhnungszeit und viel Schlaf fuhr ich das erste Mal alleine mit der Autorikscha zur Arbeit. 

Ich arbeite in einem Kinderheim für Kinder, die nach dem Juvenile Justice Act 2000 als „in need of care and protection“ bezeichnet werden. Das bedeutet, dass die Kinder von ihren Eltern nicht versorgt werden können, sei es finanziell oder weil ihre Eltern sie missbraucht haben oder aus anderen Gründen. Es gibt unzählige unterschiedliche Fälle mit einer Gemeinsamkeit – sie sind keine Waisen und können nicht adoptiert werden. Die NGO (Nicht-Regierungs-Organisation) besteht aus einer indischen und einer französischen Organisation, die gemeinsam das Projekt „Tara“ verwalten. „Tara“ ist Hindi und bedeutet übersetzt „Stern“. Tara besteht wiederum aus zwei Kinderheimen. Das erste wurde 2008 gegründet und heißt Tara Boys. Es ist ein Heim für Jungs zwischen 6 und 18 Jahren. Das zweite Heim, Tara Tots, wurde 2011 gegründet. Hier wohnen momentan 18 Kinder zwischen 2 und 10 Jahren. Beide Heime sind für maximal 20 Kinder ausgestattet. Pascal Fautrat, der Initiator und Gründer der Organisation, erklärt dies anhand eines Prinzips aus der Sozialarbeit. Es gibt eine sogenannte kritische Masse (critical mass), ab der es unmöglich wird, Gewaltsituationen zu vermeiden und zu kontrollieren. Für Tara liegt diese kritische Masse bei 20, da die gegebenen Kapazitäten (Größe der Wohnung, Anzahl der Mitarbeiter, Lebensstandard etc.) bis zu dieser Zahl finanziell bewältigt werden können. Die Ziele sind zunächst, Sicherheit zu schaffen, jedem Kind eine sehr gute Bildung zu ermöglichen und diese in einer familienähnlichen Umgebung umzusetzen. Erreicht wird dies durch die Begrenzung der Heime auf 20 Kinder pro Heim, die Ermöglichung des Schulbesuchs bei den renommiertesten Privatschulen in Delhi sowie der Auswahl der sichersten (und somit auch teuersten) Wohngegend in Delhi.

Mehr zur Organisation findet ihr auf www.taraindia.org.

Recht schnell fand ich meinen Platz in der Organisation und konnte viele Baustellen herausarbeiten und bearbeiten. Ich wurde auch sehr schnell von allen akzeptiert und integriert. Dabei habe ich viel Verantwortung zugesprochen bekommen. Mittlerweile arbeite ich in den meisten Bereichen des Heimes mit, sei es bei der Personalplanung und Entwicklung, Buchhaltung, Verwaltung des Tagesablaufs, psychischer sowie physischer Gesundheit der Kinder und vieles mehr.
So vergingen zwei Monate bis der erste Dezember vor der Tür stand. Diesen verbrachte ich mit meinem Freund und Kommilitonen und Kommilitoninnen am heißen Strand von Varkala bis in die späten Abendstunden. Ein etwas anderer Start in die Winter-Weihnachtszeit als im gewohnten Deutschland, wo ich zu dieser Jahreszeit für gewöhnlich mit einer Tasse heißer Schokolade in eine Decke eingekuschelt wäre. Am 2. Dezember endete die Reise in den Süden und ich flog wieder in das „kalte“ Delhi – bei 15-20°C tagsüber. Für mich ging die Reise jedoch kurz darauf weiter. Zunächst mit meinem Freund nach Agra und Jaipur für ein paar Tage – wieder in die Wärme – und gleich darauf nach Nepal – wieder in die Kälte.

Ein sehr physisch, teils auch psychisch, strapazierender Winteranfang, der sich dann auch in einer langanhaltenden Sinusinfektion äußerte. Trotz der Erkältung habe ich mit meiner Schwester in Nepal zehn wunderschöne und kalte Tage verbracht. Aufgewärmt wurden wir täglich von zehn Tassen MasalaChai für umgerechnet 20-30 Cent pro Tasse.


Die nepalesische Kultur mit ihrer ruhigen und sehr gelassenen Lebenseinstellung haben wir auch nur zu gut kennen gelernt. Meine Schwester arbeitete ebenfalls in einem Kinderheim und somit hatte ich einen direkten Vergleich zwischen dem indischen und nepalesischen System. Von einem wundervollen Paar gegründet und geleitet, jedoch in finanzieller wie organisatorischer Not, öffneten sie uns die Türen zur typisch nepalesischen Einstellung. Wenn etwas nicht funktionierte oder unlogisch erschien, erhielten wir immer die Antwort „That’s Nepal!“ Immer im und für den Moment zu leben, scheint ein generelles Lebensmotto zu sein.
Nach diesem Motto haben wir schließlich auch für zehn Tage gelebt und viel gemeinsam erlebt von Paragliding über hindu-buddhistische Sehenswürdigkeiten bis zu einer authentischen Dorfführung durch die nepalesischen „Mud-huts“ der Tharu-Kaste im Chitwan Nationalpark.



Pünktlich zur Weihnachtsfeier waren wir wieder in Delhi. Hier war dann auch schon etwas mehr Weihnachtsstimmung aufzufinden als in Nepal, insbesondere in den Einkaufszentren. Eine der größten und bekanntesten Shopping Malls „Select City Walk“ dekoriert zu jedem Fest ausführlichst seine Hallen.
Hier einige Fotos der Weihnachtsdekoration in und um die Mall herum.


Wie zu erkennen ist, konnte ich keine komplette Aufnahme des Baums bekommen, da ich inmitten einer riesen Menschenmasse stand, die allesamt ein Foto von sich mit dem Baum wollten. Es scheint eine sehr beliebte Attraktion zu sein. Auf facebook sind diese Fotos dann alle wieder zu finden.
Und es gab Schneemänner und sogar einen indischen Weihnachtsmann!


Scheinbar gab es auch einen indischen Weihnachtsmarkt, den ich leider erst auf dem Foto entdeckt habe. Vermutlich hätte ich hier jedoch keinen Lebkuchen und Glühwein bekommen. Ganz ohne Lebkuchen musste ich jedoch nicht auskommen. Zum Glück werden sie bei uns schon im Oktober verkauft, so konnte mein Freund Ende November bereits ein paar Packungen mit nach Indien schmuggeln.

In meiner Organisation wurde die diesjährige Weihnachtsfeier von einer Sponsorin geplant. Sie kam für zwei Wochen aus Frankreich, um mit den Tara Boys und Tara Tots Weihnachten zu feiern. Zudem war ein australisches Fundraising-Team dabei, das sich um die Finanzierung der Party kümmerte. Die Kinder haben mit den regelmäßigen Volunteers Weihnachtsdekorationen gebastelt und 2 Monate vor Weihnachten bereits vom Weihnachtsmann erzählt. Eines Tages erzählte mir einer der 6-jähirgen Jungen:

„Mam, on Christmas snow is coming and I make a snowman!“

Weihnachten kam, der Schnee blieb jedoch leider fern. Aber der liebe Santa Claus klopfte dafür an die Tür und verbreitete viele glückliche Gesichter. Für die Kleinen gab es meistens Mützen, Zahnbürsten und Hausschuhe. Mit ein wenig Einfluss des Teams konnten etwas nützlichere Geschenke organisiert werden. 


Seltsamerweise gab es für die Kinder bereits am 21. Dezember eine Weihnachtsfeier, ebenfalls mit einem Weihnachtsmann, da eine Partnerorganisation eine Feier für die Kinder organisiert hatte. Außer mir schien niemand zwei Weihnachtsfeiern für seltsam zu halten.
Achja, und derselbe Junge meinte erst letzte Woche, als sie sich für „Park-Time“ fertig machten:

„I’m going to build a snowman at the park“. =)

Für mehr Bilder der Kinder und der Weihnachtsfeier einfach hier klicken http://www.taraindia.org/

Ich erkannte leider erst nach Weihnachten, was den kompletten Dezember über gefehlt hat – der ultimative Weihnachtsstimmungsmacher „Last Christmas“. Jedes Jahr beschwert man sich über dieses Lied und seine lange Spielzeit im Radio. Wenn man es aber ein Jahr verpasst, dann fehlt doch irgendwie etwas an Weihnachten. =)

Dieses Jahr verbrachte ich mit meiner Schwester und Mitbewohnerin einen ruhigen Silvesterabend. Am nächsten Tag ging es schließlich wieder zur Arbeit. Nun geht der Alltag in Delhi wie gehabt weiter und ich bin gespannt, was ich noch alles in meinem letzten Monat erleben werde. Vermutlich ähnliche Situationen wie folgende.


Umzingelt von Schulmädchen beim Ausflug zu HumayunsTomb. Jeder Tag scheint ein Schulausflugstag zu sein. Ruhe bekommt man an Delhis Sehenswürdigkeiten nie. Das ist eben
„incredible India“!
Heather Attwood

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