Samstag, 20. Dezember 2014

Marie Wissner und Kristin Ruf - Nilgiris, Tamil Nadu, Indien




In den Nilgiris beim CTRD - Na, habt ihr schon gegessen?


Das war mit eine der Fragen, die uns am häufigsten gestellt wurde. Mehr dazu aber später.
Nachdem wir in Pondicherry 6 Wochen fleißig Tamil gelernt (siehe vorheriger Blogbeitrag), und bei mindestens 35 Grad auch prächtig geschwitzt haben, ging die Reise auch für uns weiter, dieses Mal in die Nilgiris, die Blue Mountains. Von Pondicherry aus nahmen wir zunächst einen Bus nach Chennai, von dort aus dann einen Sleeper Bus, der uns direkt nach Ooty brachte, die höchstgelegene Stadt der Nilgiris.

Die Nilgiris sind die höchsten Berge Tamil Nadus, erstrecken sich außerdem noch über Kerala und Karnataka. Über die Nilgiris war uns zuvor nicht allzu viel bekannt, außer, dass es hier eine hohe Elefantenpopulation geben sollte. 

Schon in der 12Stündigen Fahrt im Bus wurden wir immer aufgeregter und haben uns gefragt was uns wohl erwarten wird. Gegen Ende der Fahrt, als wir gegen 7 Uhr morgens aufwachten und einen Blick aus dem Fenster warfen schlug unsere Stimmung sofort um. Von Müdigkeit und Anstrengung war keine Spur mehr, der Anblick war überwältigend. Über schmale Straßen schlängelten wir uns die Berge hinauf  und die Morgensonne legte einen warmen Schleier über die grünen Hänge, die nun überall zu sein schienen. Das Wetter hielt leider nicht allzu lange und wurde grauer, je näher wir an Ooty herankamen. Die grünen Hänge sahen nun mit jeder Minute mehr Bevölkert aus und wir merkten dass wir bald am Ziel sein mussten. In Ooty ereilte uns dann ein kleiner Schock als wir aus dem Bus blickten; Fast jeder hatte hier eine dicke Jacke, Mütze und Schal an! Wir waren noch immer auf das heiße Pondy eingestellt und fragten uns ob wir wohl falsch gepackt hatten. Als wir dann aus dem Bus stiegen überkam uns Erleichterung. Die Einheimischen haben wohl ein anderes Temperaturempfinden als wir, für uns war die Temperatur nach der Hitze perfekt und wohltuend. So schlenderten wir also mit unseren Sandalen und  ¾ Ärmlingen Chudidas durch die Menschenmasse an Mützen und Schalträgern,  hin zu unserem Hotel, in dem wir eine Woche blieben um uns an das Klima der Nilgiris zu gewöhnen. Nachdem wir in dieser Woche, einiges von Ooty und Umgebung gesehen hatten (inklusive einer ziemlich unbeeindruckenden Papierblumenausstellung, nach der hier alle ganz verrückt sind) ging es dann weiter in ländlichere Gefilde: nach Eallamanna zum CTRD (Center for Tribal and Rural Development). 



Die Fahrt dorthin  (ca. 5 Stunden von Ooty mit dem Bus nach Gudalur und von dort weiter mit dem Jeep, der von unserem Chef Herr Ranganathen organisiert wurde war aufregend und uns fiel sofort die wunderschöne Landschaft auf. Wir genossen selbst die holprige Busfahrt über die Straßen die der Mondoberfläche ähneln, denn der Blick aus dem Fenster entschädigte dafür. Wir schienen immer Tiefer in den Dschungel der Nilgiris zu kommen und so weit das Auge reicht waren die grünen Hänge zu sehen, die vor allem mit Palmen, Bäumen mit roten Blüten und besonders Tee bewachsen waren.

Tee.
Die Tee Pflanze spielt eine besonders wichtige Rolle in den Nilgiris. Sie ist nicht nur wichtig für den intensiven Tee Konsum der einheimischen Bevölkerung, sie ist vor allem auch eine Einnahmequelle. Auf dem Weg zum CTRD kamen wir also auch an vielen Teeplantagen vorbei in denen Zahlreiche Menschen beschäftigt waren, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen
An einem Sonntagmittag kamen wir dann auf dem Campus des CTRD an. Dieser liegt ziemlich abgeschieden inmitten der wunderbaren Flora und Fauna der Nilgiris. Da sonntags Ruhetag ist, war kaum jemand da und  so hatten wir die Möglichkeit uns ein wenig umzusehen und uns mit unserem Zimmer und dem Gelände bekannt zu machen. Der Campus besteht aus einem Guesthouse, einigen Gebäuden für Microfinance Training und dem Hauptoffice, in dem üblicherweise gearbeitet wird. Montags konnten wir dann ausgeruht mit der Arbeit beginnen und den CTRD und deren Mitarbeiter kennen lernen. Wir wurden hier zunächst von dem Sohn des Chefs in das Schaffen des CTRD eingewiesen. So lernten wir, dass sich dieser seit 26 Jahren für die in den Nilgiris einheimischen Stämme wie zum Beispiel der  Panya oder Kattunayakan einsetzt, alles ursprünglich von unserem Chef Herr Ranganathen ausgehend. Der CTRD sorgt für verbesserte Lebensumstände und Rechte der Abgeschiedenen Tribes durch verschiedene Programme wie das Bauen von stabileren Häusern, Biogasanlagen für Einkommen und Gas zum kochen, Betreuung von Selbsthilfe Gruppen um die Frauen zu stärken und natürlich auch Projekte zu Gesundheit und Bildung.
 
Tribal Village




Nachdem wir also eingewiesen wurden, wurde uns überaschenderweise, nachdem wir unsere Interessen mitgeteilt hatten, ein detaillierter Arbeitsplan vorgelegt. Kristin sollte sich danach mit  den Bio-Gasanlagen beschäftigen und ich mich mit den Selbsthilfegruppen für Frauen. Der Plan sah unter anderem, vor Case Studies zu erstellen, Interviews zu führen oder persönliche Profile zu erstellen. Außerdem auch ein Area-Mapping der Region durch GPS, sowie das Filmen eines kurzen  Dokumentarfilms zum jeweiligen Thema. Wir können kaum beschreiben wie sehr uns ein solcher Arbeitsplan überrascht und gleichermaßen motiviert hat. Wir haben damit gerechnet gewissermaßen 6 Wochen unwichtige Aufgaben zu bekommen (auf Kaffee kochen wurden wir vorbereitet) und kaum etwas bewirken zu können. Wir gingen also motiviert an die Arbeit, führten ein Arbeitstagebuch und fuhren regelmäßig in die Dörfer um Interviews zu führen oder einfach zu Beobachten. So konnte Kristin einige Bio-Gasanlagen betrachten und Familien kennenlernen und ich mir die Treffen der Selbsthilfegruppen anschauen und teilnehmen. Die ersten Wochen hat das wunderbar funktioniert, wir hatten auch bereits begonnen zu filmen. Nach und nach verlangsamte sich die Arbeit aber leider. Vor allem durch ein großes Problem: das kaum vorhandene INTERNET!  Der eigentliche Arbeitsplan wurde oft dadurch gestoppt, dass es wichtigeres zu tun gab. Vor allem das Finden neuer Finanzierungen für kommende oder laufende Projekte, erstellen von PPT Folien für bestimmte Trainings oder das Bearbeiten oder Schicken einiger Projektanträge. Das alles wurde durch das kaum vorhandene Internet aber ziemlich ausgebremst und so verloren wir viel Zeit an das warten und ärgern. Wir wurden dann mit anderen Dingen beschäftigt, die uns aber nicht so wichtig erschienen sondern mehr als Unterhaltung für uns. Das hat die Motivation natürlich etwas getrübt. So Bestand unser Arbeitsalltag aus gelegentlichen, später abebbenden Feldbesuchen in verschiedenen Dörfern oder der Arbeit im Office. Gegen 13 Uhr gab es Lunch (Jeden Mittag Reis mit Sambar und verschiedenen Beilagen). Kehrten wir mit vollem Magen wieder zurück ins Office wurde uns beinahe von jedem nur eine Frage gestellt: Saappidiingalaa? – Habt ihr gegessen? So gehört sich das hier so und es spricht für die freundliche und aufmerksame Natur der Tamilen.

Nach einer (langen) Weile waren wir dann aber erfolgreich und es hat doch noch alles so funktioniert wie wir uns das vorgestellt hatten. Im Großen und Ganzen war die Zeit beim CTRD also durchaus fruchtbar, mit ein paar kleinen Abstrichen. Dazu zählt besonders unsere Unterkunft, die eigentlich kaum zu wünschen übrig ließ, leider allerdings (und das geht hier leider kaum anders durch die Witterung und das Wetter) stark schimmelte. Die Wände waren sehr mit Schimmel benetzt, sodass sogar unser Reisepass mit Sporen überdeckt war und wir uns gegen Ende der Zeit einbildeten dadurch schneller Krank zu werden (Ohrenschmerzen, Erkältungen etc). Wir nahmen uns das aber nicht sehr zu Herzen und machten eher Witze darüber, als dass uns das ernsthaft störte. Die Zeit hier war vor allem durch die freundlichen Mitarbeiter, die immer ein offenes Ohr für unsere  Ideen und auch Sorgen hatten etwas ganz besonderes. Auch Herr Ranganathen war uns ein Mentor und hat uns in jeder Situation weitergeholfen. Nun ist die Zeit hier fast zu Ende und wir müssen den CTRD trauriger weise hinter uns lassen. In einer Sache sind wir uns allerdings sicher; das war bestimmt nicht unser letzter Besuch hier!


Marie Wissner und Kristin Ruf

Montag, 3. November 2014

Martin Radtke und Julia Griesohn - Antananarivo, Madagaskar

Madagaskar – Artenreich, aufregend, aber arm

Da sich der Abflug um zwei Wochen verschoben hatte, Grund dafür war ein Pilotenstreik der Air France, sind nun erst drei Wochen seit unserer Ankunft vergangen. 

Dass die Republik Madagaskar noch sehr jung und die damit verbundene politische Lage noch recht unorganisiert sind, war uns im Vorfeld bereits bewusst, ebenso, dass es sich um ein „Entwicklungsland“ handelt, in dem viel Elend und Armut existieren. Ebenso haben wir aber auch eine vielschichtige aufgeschlossene Gesellschaft und schlussendlich ein traumhaft schönes Tropenparadies, mit ganz eigener und besonderer Flora und Fauna erwartet. Die Erkenntnis traf uns mit voller Wucht, bestätigte das Eine und widersprach dem Anderen. Schon bei der Ankunft am Flughafen und der anschließenden Fahrt in unsere Unterkunft, prasselten die verschiedensten Eindrücke auf uns nieder. Denn trotz der finsteren Nacht waren die Bilder zu erkennen, die uns seitdem tagtäglich in Antananarivo begleiten. Da sind das rege Treiben, ob Tag oder Nacht, alles befindet sich in Bewegung und transportiert Güter auf unterschiedliche Weise.

Von der Natur ist im Verhältnis wenig zu sehen. Die Ursache dafür ist zum Einen, dass nochTrockenzeit herrscht und alles erst langsam aufblüht und zum Anderen scheint die Stadt auch einfach vielerorts in Staub und Dreck zu versinken, der Müll ist omnipräsent in der Hauptstadt! Da es so gut wie keine Mülleimer, geschweige denn Müllabfuhren gibt, dienen oft die offenen Abwasserschächte oder Berghänge als Entsorgungsstätte. Flussläufe und Seen werden vielerorts
auch als Toilette benutzt und trüben das Bild.

Ganz anders ist es da in unserer Unterkunft. Wir leben im Stadtteil Andraisoro, auf einem der Berge von Antananarivo. Über eine kleine abgelegene Straße, die kaum einer Straße gleicht, liegt hinter einem großen Stahltor das Haus unserer deutschsprachigen Gasteltern. Sie betreiben eine kleine Herberge für internationale Studenten und zusammen mit vier weiteren deutschen Studenten leben wir dort in einer Wohngemeinschaft. Hier wird einer der großen Kontraste Antananarivos und vermutlich auch Madagaskar deutlich. Das Grundstück ist von einer Mauer umgeben und es gibt einen eigenen Wachmann, wer sich hier einen leisten kann, der hat auch einen. Dieses Bild findet sich überall wenn bei einem Spaziergang die Umgebung erkundet wird, oder die Fahrt ins Zentrum ansteht. Zwischen provisorisch erscheinenden Holzaufbauten, die als Stände dienen und aus Lehmziegeln gefertigten Häuschen, erhebt sich wie aus dem Nichts eine hohe Mauer, oft mit Stacheldraht und Glasscherben gespickten Enden. Dahinter steht ein verhältnismäßig großes Haus. Der gleiche Anblick eröffnet sich auch auf den Straßen. Während die meisten Verkehrsteilnehmer, allen voran Taxis, die in alten französischen Fabrikaten und notdürftig mit allem vorhandenen repariert sind, über den löchrigen Asphalt poltern, schiebt sich ein großer Jeep, jüngerer Baujahre die Berg- und Talfahrten Antananarivos entlang und untermalt diesen starken Kontrast noch einmal erheblich.

Ein ganz besonderes Erlebnis stellen die Busfahrten dar. Es gibt keine festen Abfahrtszeiten und richtige Haltestellen finden sich auch erst in Zentrumsnähe, davor sind es meist ausladende Flächen. Egal für welche Distanz, die Busfahrt in der Stadt kostet immer das Gleiche. Es wird zu beiden Seiten auf einem Doppelsitz Platz genommen und wenn diese belegt sind, kann ein fünfter Sitz im Gang ausgeklappt werden. Verfügen manche Busse nicht über diesen zusätzlichen Sitz, so werden gepolsterte Holzbretter zum dazwischen Klemmen gereicht. Ungewollt wird so auf Tuchfühlung mit den anderen Insassen gegangen. Irgendwann ruft dann der sich hinten am Bus festhaltende Schaffner zum Fahrpreis auf, und es wird einzeln zu ihm gereicht oder zusammen gesammelt. Außerhalb des Zentrums kann der Austiegswunsch dann durch zurufen erbeten werden und mittels pfeifen signalisiert der Schaffner dem Fahrer dann den anstehenden Stop. Dies wird zum Beispiel erforderlich, wenn wieder einmal der komplette Verkehr zum Erliegen kommt und es schneller ist zu Fuss zu gehen. 

Zur Zeit machen wir einen madagassisch Sprachkurs, denn Englisch wird so gut wie gar nicht gesprochen und Französisch verebbt in ländlichen Richtungen. Dies sorgt vielerorts für amüsante Begegnungen wenn wir mit unseren Wortfetzen Bestellungen aufgeben. Aber es kann auch Verwirrung stiften, da sich vor einigen Jahren die Währung von Franc Malagasy in Ariary und somit auch der Umrechnungskurs geändert haben, wird hier mit zweierlei Maß gemessen und die Preise sind nicht immer ganz klar, erst recht nicht, wenn auf madagassisch gefragt wird. Alles in Allem sind die madagassischen Landsleute jedoch sehr höflich und begrüßen einen mit einem freundlichen “vazah“, was soviel heißt wie "Fremder", aber in keiner weise negativ gewertet wird. Die Kinder machen sich gerne einen Spaß daraus und begrüßen einen immer und immer wieder. 

Mit den Kindern wirft sich jedoch ein großes moralisches Dilemma auf. Es lässt sich nicht vermeiden früher oder später bei Taxifahrten, Marktbesuchen oder anderen Unternehmungen auf die ärmlichen Verhältnisse zu stoßen. Und so geschieht es nicht selten, dass um Geld oder Essen gebettelt wird, auch von Kindern. Und so herzerweichend diese Begegnungen sein können, desto weniger kann allen geholfen werden. Es besteht viel mehr noch die Gefahr von Taschendieben ausgeraubt zu werden oder eine ganze Schar Kinder anzulocken, weil schließlich jeder etwas abbekommen möchte von den „wohlhabenden Weißen“. Dies ist für uns einer der schwersten Anblicke, zu sehen wie Menschen versuchen in von Abgasen verseuchten Tunneln oder in behelfsmäßig errichteten Schlafplätzen am Straßenrand liegend, Schlaf zu finden, während wir mit dem Geld in der Tasche Entspannung vom Alltag suchen. Und so schaffen es auch Tage, an denen wenig unternommen wurde, einen von den ganzen Eindrücken erschlagen, erschöpft ins Bett fallen zu lassen.



An den Wochenenden unternehmen wir dann häufig kleinere Sightseeingtouren ins Umland. So haben wir vor kurzem die Sommerresidenz der letzten Königin besucht. Eher zufällig sind wir dann auf eine madagassische Soziologin gestoßen, die ganz in der Nähe ein kleines Hotel führt und dabei ist, alte Grabanlagen und die Zugänge dazu wiederherzustellen. Sie hat uns dann eine private Führung zu in der Nähe befindlichen Grabanlagen gegeben und uns im Anschluss in ein benachbartes Dorf eingeladen, wo gerade eine Besessenheitszeremonie, eine sogenannte „Tromba“ abgehalten wurde. Es war uns gestattet die dortigen Gräber zu besichtigen und im Anschluss kurz der Tromba beizuwohnen. Außerdem hat sie uns für ein Wochenende zu sich eingeladen, was wir mit großer Freude gerne bald in Anspruch nehmen. Ebenso steht noch ein Besuch der Universität in Antananarivo aus, an der unsere Mitbewohner im Auftrag des DAAD Germanistik unterrichten. Die Erzählungen über die Uni verheißen allerdings keinen schönen Anblick. So gibt es große Probleme mit Müll, Toiletten und dem Zugang zu Lehrmaterialen in Form von Büchern oder Internet. 

Da sich durch den verspäteten Abflug und einen länger angesetzten Sprachkurs unsere weiteren Planungen nach hinten verschieben, werden wir vermutlich ab November unsere Praktikumsplätze und somit eigentlichen Forschungsgebiete beziehen können. Dabei wird Julia Griesohn in einer 24h-Ambulanz im Zentrum, etwas über die verschiedenen Heilungsmethoden und deren Einflussnahme in Erfahrung bringen. Und zusammen mit dem dortigen Chefarzt, welcher selber längere Zeit in Tübingen Medizin studiert hat, ihr Forschungsthema erarbeiten. Martin Radtke wird dann in die Lehrwerkstatt SOLTEC am Rande Antananarivos ziehen und sein Praktikum beginnen.

Dienstag, 21. Oktober 2014

Florence Polling und Hannah Rebstock - Thanjavur, Tamil Nadu, Indien

Und plötzlich haben wir 3000 neue Schwestern

Nachdem wir unseren sechswöchigen Tamil-Sprachkurs des PILC (Puducherry Institute of Linguistics and Culture) in Pondicherry beendet hatten, begaben wir uns auf den Weg zu unserem nächsten Ziel: das „Bon Secours College for Women“ in Thanjavur. Dem AC Bus (klimatisierten Bus) zogen wir einen „government bus“ vor, um die Reise nach Thanjavur noch intensiver erleben zu können. Nach einer sechsstündigen holprigen Fahrt (wir dachten mehrmals die Decke küssen zu können) in einem Bus ohne Türen und einen Sonnenbrand später kamen wir in Thanjavur an und wurden gastfreundlich von Sister Victoria und Sister Shoba in Empfang genommen. Das College, mit seinen 3000 Schülern, 15 Departments, 103 Lehrern und 30 Schwestern, gehört zu den besten Bildungseinrichtungen Indiens und wurde im September 2014 vom „National Assessment and Accreditation Council“ mit einer Bestnote ausgezeichnet. Das Bon Secours College hat sich als Ziel gesetzt, ihren Studentinnen bei der Entwicklung ihres vollen Potenzials durch die Entwicklung ihrer akademischen Kompetenzen, kritischen Denkens, staatsbürgerlicher
Verantwortung und globalen Bewusstseins zu helfen. Ihre Vision ist es, den Horizont der Frauen zu erweitern. Dabei unterstützt das College vor allem Frauen aus den ländlichen Regionen. Sie sollen physisch, intellektuell, emotional, sozial und moralisch weitergebildet und befähigt werden, die Herausforderungen der Welt von Morgen zu bewältigen. Auf dem College Campus befindet sich ein Hostel, das 500 Studentinnen beherbergt. Weitere 2500 Studentinnen kommen täglich mit Bussen ans College. Dieses College wurde also zu unserem neuen Zuhause für die folgenden sechs Wochen. Untergebracht sind wir in einem kleinen Guest House, das sich auf dem Campusgelände befindet. Uns steht ein geräumiges Zimmer mit kleinem Bad zur Verfügung. An die indischen Sanitäranlagen hatten wir uns schon gewöhnt, ein Bett ohne Matratze war uns jedoch neu. Die erste Nacht am College hinterließ ihre Spuren: von Moskitobissen übersät und mit Gliederschmerzen aufgrund unseres harten Bettes, begann unser neues Abenteuer. Schnell gewöhnten wir uns jedoch an die neuen Verhältnisse. Auch durch die extra für uns neu angebrachten Moskitonetzen wurden die Nächte angenehmer.























Nun mehr dazu, warum wir an das College gekommen sind. Am College machen wir neben der Teilnahme an Kursen jeweils eine eigene Forschung. Wir hoffen, durch die teilnehmende Beobachtungen und Interviews an viele interessanten Informationen, etwa zu den verschiedensten Denkweisen, Lebensgeschichten, Einstellungen und Traditionen der
Studentinnen, zu gelangen. Hannah Rebstock widmet sich dem wandelnden Wert der Bildung für junge Frauen in der indischen Kultur. Das Bildungssystem in Indien hat sich stark verändert und spielt in vielen Bereichen der sozialen Struktur eine wichtige Rolle. Florence Polling, forsche über den Bestand und den Wandel des Kastensystems in Bildungsinstituten unter dem Einfluss von Modernität und dem Wandel des Bildungssystems. Da wir keine Küche haben, gehen wir für jede Mahlzeit in die Mensa der Hostel-Schülerinnen, was sich zu Beginn als kleine Herausforderung herausstellte. Bei unserem Eintritt in den Speisesaal hefteten sich 500 Augenpaare an uns und begleiteten jede unserer Bewegungen. Die ständige Beobachtung legte sich nicht, sondern beschreibt heute, fünf Wochen nach der Ankunft, unseren Alltag. Das Essen ist sehr gut, jedoch nicht sehr abwechslungsreich. Drei Mal am Tag gibt es Reis mit verschiedenen Soßen, eine Reisunverträglichkeit wäre somit weniger von Vorteil. Sprich, auch an das mussten wir uns zunächst gewöhnen. 

Nach anfänglicher Zurückhaltung sahen wir uns schon schnell von Menschentrauben umgeben. Frage um Frage wurde uns gestellt, manchmal auch gefühlte fünfzig Fragen auf einmal. Schnell wurden wir sogar Teil der „Gangs“ mancher Studentinnen, was wir sehr amüsant fanden. Stets werden wir mit „Hello Sister“ begrüßt. Plötzlich hatten wir also 3000 neue Schwestern. Die Essenszeiten sind eine großartige Gelegenheit um mit den Studentinnen allerlei Geschichten aus ihrem und unserem Leben auszutauschen. So wie wir an ihrer Kultur interessiert sind, so sind auch sie an unserer Kultur interessiert. Beiderseits ist man oftmals erstaunt über diese vielen kulturellen Unterschiede und Traditionen. Diese Gespräche schätzen wir sehr. Allgemein betrachtet sind die Studentinnen sehr unterschiedlich: es gibt sehr offene und kontaktfreudige Mädchen, aber auch sehr schüchterne, die uns stets aus „sicherer Entfernung“ beobachten. Wie wir erfahren haben, halten sie mögliche Sprachbarrieren davon zurück, mit uns zu sprechen. Aus diesem Grund versuchen wir ab und zu, unsere Tamil Kenntnisse auszupacken und damit zu signalisieren, dass eine Unterhaltung irgendwie immer möglich ist. Zusätzlich freuen sich die Studentinnen unglaublich, wenn sie ein paar tamilische Sätze mit uns austauschen können. Die Schwestern am College, wie auch die Lehrerinnen, sind sehr bemüht unseren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten und scheuen keinen Aufwand, uns so gut wie nur möglich bei der Forschung zu unterstützen.

Das Stadtzentrum von Thanjavur beherbergt auch ein paar Schätze, die nicht unbeachtet bleiben dürfen. An unserem ersten Wochenende besichtigten wir zuerst das Fort der Nayaks aus dem 16. Jhd. Auch konnten wir einen Blick in die Saraswati Mahal Library werfen, welche über 40.000 seltene Bücher und 8000 Palmblatt-Manuskripte verfügt. Anschließend gingen wir in die dazugehörige Art Gallery. Dort konnten wir super schöne Bronzeskulpturen aus dem 9. bis 12. Jhd. bewundern. Von dort schlenderten wir durch die vollen und lauten Straßen, bis wir vor dem wirklich beeindruckenden Brihadisvara-Tempel standen. Der Tempel ist so zu sagen das Wahrzeichen der Stadt und die architektonischen Feinheiten sind wirklich unglaublich beeindruckend.

Unseren Aufenthalt in Indien erachten wir als sehr intensiv und als ein Wechselbad der Gefühle. Da wir am Ende unseres Aufenthalts stehen, reflektieren wir diesen und versuchen ein Resümee zu ziehen. War Indien großartig? War Indien ein Schock? So richtig zuordnen können wir es nicht. Mal schockierte uns das Land, mal faszinierte es uns. Umso mehr man in die Kultur eintaucht, umso intensiver werden die Erlebnisse.

Indien ist ein Land der Gegensätze, das auf seine eigene Art und Weise faszinierend, erstaunlich, beeindruckend und verwirrend ist. Indien kann man nicht erklären, Indien muss man erleben.

Dienstag, 14. Oktober 2014

Leonie Rospert und Laura Falter - Pondicherry, Indien


Unsere Tage in Pondicherry begannen um acht Uhr morgens, denn um neun mussten wir pünktlich in der Schule sitzen! In der ersten Stunde wurde jeden Tag Grammar unterrichtet,danach Spoken Drill und wenn das überstanden war, gab es einen kleinen Becher süßen Milchkaffee und einen kleinen, meist frittierten Snack in der Teabreak. Nach dieser fünfzehn minütigen Pause ging es dann weiter mit dem Tamilunterricht, erst Script and Reading und in der vierten und auch letzten Stunde des Vormittagsunterrichts Scriptpractice and Conversation. Mittlerweile war es auch schon Viertel vor eins und wir Schüler wurden bis halb drei in die Mittagspause entlassen. Diese verbrachten wir meist in völlig überteuerten, aber sehr schönen Cafés in 'white town'.


Nach dem Mittagessen durften wir noch einmal bis halb fünf zur Schule und dort das Nachmittagstutorial des Tamilunterrichts genießen und uns anschließend auf einen weiteren Snack und einen Becher zuckersüßen Milchkaffee freuen!

Sobald die Schule beendet war, schlenderten wir meist durch Pondicherry. Schließlich ist man nicht alle Tage in Indien, das sehr reich an fremdartigen und neuen Eindrücken ist. Daher sollte die kurze Zeit in diesem Land auch genutzt und genossen werden! Zudem entdeckt man auf diesem Wege des 'Sich-Treiben-Lassens' wunderschöne Plätze, Geschäfte, Cafés, Bars, beeindruckende Tempel und lernt interessante Menschen kennen!

Pondicherry war bis 1947 unter französischer Herrschaft und die Hauptstadt Französisch-Indiens. Dies ist bis heute im Stadtbild zu erkennen. Der Stadtkern Pondicherrys hat die Form einer Ellipse und die Straßen sind schachbrettartig angeordnet. Der an der Küste verlaufende Streifen ist 'white town'. Dort befinden sich riesige, alte, aus der französischen Kolonialzeit stammende, Stadtvillen, in denen sich zum Teil Cafés und Restaurants befinden, die für die Touristen in Pondi westliche Küche anbieten. In diesem Teil der Stadt findet man unter anderem auch kleine Boutiquen, die Kleidung, Schmuck und Kitsch anbieten. Diese Geschäfte könnten sich genauso gut in Tübingens Altstadt befinden.
  
In diesem sogenannten weißen Stadtteil ist alles vier mal so teuer wie in der Innenstadt. In der Stadt kann man eine riesige Portion Reis für 35 Rupees bekommen – im französischen Teil der Stadt kann man im Gegensatz dazu, auch Gerichte wie Cheeseburger und Pommes bestellen, allerdings für stolze 450 Rupees. In diesem Bereich der Stadt ist alles ein wenig größer, sauberer, ruhiger und das überall herrschende anarchistische Straßenchaos ist kaum zu spüren. So kann man abends völlig entspannt an der Strandpromenade spazieren und sich in einem der Restaurants oder Bars mit Meerblick ein Bier für ca. 200 Rupees gönnen. In einer der charmanten, ein klein wenig heruntergekommenen Bars im 'indischen' Teil der Stadt kann man das jedoch auch schon für 80 Rupees. Auch dieser Teil der Stadt ist ohne Frage wunderschön und natürlich um einiges interessanter.

Durch die überfüllten und vollgestopften Straßen zu laufen und sich vom Strom der Menschen treiben zu lassen ist spannend, beeindruckend und auch meist sehr lehrreich. Man lernt dabei viel über kulturelle Verhaltensnormen, wie beispielsweise die "Kleiderordnung", das Verhältnis zwischen Mann und Frau, den Umgang mit Kindern und auch das Verhältnis der Menschen untereinander, die sich zum Beispiel nicht bei Kellnern im Restaurant bedanken müssen, da diese schließlich die Arbeit tun, für die sie bezahlt werden und es daher keinen Grund für höfliche Kommunikation gibt. Diese Situationen könnte man natürlich mit dem Kastensystem in Verbindung bringen, jedoch erklärte es uns ein Lehrer auf diese Art. Ein weiteres Beispiel für Dinge, die sich leicht durch Beobachtung lernen lassen, ist die im Straßenverkehr vorherrschende Hierarchie unter den Verkehrsteilnehmern: an oberster Stelle stehen Kühe, danach LKWs und Busse, dann Autos, Rikschas und irgendwann Fußgänger. An letzter Stelle stehen Hunde und andere kleine Tiere. Sogar der Tamilsprachkurs hat uns jeden Dienstag und Donnerstag Nachmittag "Kulturprogramm" geboten, um unseren kulturellen Horizont zu erweitern. Dienstags waren dies meist Darbietungen von speziell tamilischen Instrumenten, Gesängen und auch traditionellen Volkstänzen. Donnerstags haben wir meist Tempel angeschaut, Dörfer oder den lokalen Markt besichtigt.

Rückblickend betrachtet, war Pondicherry eine entspannte, kleine und nahezu strukturiert erscheinende Stadt, die uns anfangs jedoch mit ihrer indischen Hektik und Lautstärke erschlagen hat. Inzwischen erscheint uns dies fast lächerlich, da anderen indische Städte, die wir bisher besichtigen konnten, in keinster Weise mit Pondicherry zu vergleichen sind. Allerdings haben wir unsere Zeit in Pondicherry sehr genossen und hatten viel Zeit die Stadt kennenzulernen. In den sechs Wochen haben wir sogar ein Heimatgefühl entwickelt, auch weil in Pondicherry viele europäische Studenten ein oder auch zwei Semester studieren und wir uns mit einigen Franzosen und Norwegern angefreundet haben und unsere Abende gerne mit ihnen verbrachten. Mit diesen Freunden haben wir auch einige Ausflüge unternommen, beispielsweise nach Madurai und Rameshwaram. Um dem indischen Dresscode zu entfliehen haben wir zwei unserer Sonntage in Hotels verbracht, um dort im Bikini am Pool zu liegen und uns wie wir selbst zu fühlen. 


Letztendlich war Pondicherry jedoch eine wundervolle Erfahrung! Der Tamilsprachkurs bzw. die guten Tamillehrer haben uns mit ausreichenden Grundkenntnissen versorgt, um bei unserem Praktikum in einem Kinderheim in Thanjavur auf simpler Ebene mit den Kindern zu kommunizieren.