Donnerstag, 28. Januar 2016

Michael Paul Adamczyk - Nowosibirsk, Russland

Frohes. Neues. Jahr. Nicht.

Ich spaziere bei -30°C durch die Nacht der Großstadt und überlege mir: Was ist hier nur schief
gelaufen? An welchem Punkt hätte ich merken können, dass was faul ist? Gastfamilie verlassen,
mit jeder Fragestellung an die Wand gefahren, nicht mal richtig Russisch gelernt. Doch alles von
Anfang an…




Auf sich allein gestellt

Mein Masterplan für die ersten Tage sah so aus: Ich suche mir eine schlechte Unterkunft in
Nowosibirsk um erstmal zu sehen, wie mies es sein kann. Alles was danach kommt kann nur
besser werden. So war es auch! Am vierten Tag wurde ich von meinen Gastgebern abgeholt und
wir sind in einen richtig schönen Stadtteil (Akademgorodok) gefahren. Die Wohnung meiner
Gastgeber ist die einer gehobenen Mittelklasse. Schnelles Internet, hübsch eingerichtet, alles
wichtige in der Nähe, fast im Wald gelegen.
So verbrachte ich die ersten Tage damit die Gegend zu erkunden, Bekanntschaften zu knüpfen
und viel zu filmen. Leider haben meine Gastgeber so gut wie keine Freunde, weshalb ich durch sie
keine weiteren Leute kennengelernt habe. Das Goethe-Institut und deren Mitarbeiter waren die
ersten Ansprechpartner.



















Projektthemen... ach, diese Projektthemen

Die meisten Kontakte hatte ich zur sehr überschaubaren deutschen Community in Nowosibirsk. Jeden Monat gibt es den deutschen Stammtisch, an dem ich auch immer teilnahm. Gleich nach dem ersten Stammtisch (etwa 12 Teilnehmer) habe ich mich als Helfer für den deutschen Weihnachtsmarkt gemeldet. Erst drei Wochen im Land und schon beteiligt an Aufbau, Ausschank und auch noch Fotos gemacht. Mein Plan dort an Kontakte zu kommen, die mir mehr über ein deutsches Weihnachten in Russland erzählen, ging irgendwie nicht auf. Entweder die Person hat keine Zeit, ist nicht in der Stadt oder nichtmal im Land zu der Zeit. 




Erstes Projekt „Deutsche Weihnachtstraditionen in Russland gelebt“ war somit beendet. Jetzt musste etwas Neues her. Also gut, warum dann nicht einfach russisches Neujahr bei Russen zu Hause? Ich habe also angefangen mich mit dem russischen Fest zu beschäftigen und die Traditionen dazu. Bei dieser Frage waren meine Gastgeber auch nicht sehr hilfreich. Außer „es wird gegessen und getrunken“ wollte man mir nicht mehr sagen. Ich sollte verstehen warum es bei ihnen nicht so einen hohen Wert hat... 


Energie, ja! Nein, doch nicht

Die Zwischenzeit verbrachte ich mit Filmen und Fotografieren und dem wiederholenden Versuch mit den Bewohnern von Nowosibirsk in Kontakt zu kommen. So habe ich zum Beispiel einige Stunden bei eisigen Temperaturen auf einem gefrorenen See zugebracht und mit Eisfischern gesprochen. So gut es geht zumindest. Weitere Versuche mit interessanten Menschen in Kontakt zu kommen scheiterten an deren Unzuverlässigkeit. So wurde ich mal knallhart per Whatsapp versetzt, als ich schon 30 Minuten wartete. Den Burger hab ich dann allein gegessen. 




Ein Highlight war sicherlich der Besuch der größten Oper Russlands, am 24.12. zu dem Ballett „Der Nussknacker“. Bärenfleisch im Restaurant gegessen zu haben, sicherlich auch. Aber auch die Eisfischer, ein ganz besonderer Schlag Menschen. Ich war zudem für 4 Tage in Tomsk, der ältestes Universitätsstadt Sibiriens und werde auch noch ins Altai-Gebirge fahren. Es gab schon sehr viele schöne Momente, aber die meisten davon erlebte ich alleine.
So nahm meine Motivation leider immer weiter ab und daheim bemerkte ich einen Stimmungswechsel, den ich nicht nähern beschreiben konnte. Meine Energie nahm ab, meine Gastgeber wurden stiller, es entstanden mitunter seltsame Momente. Es spitzte sich zu bis zum Neujahrsfest. 



Russisches Neujahr/Weihnachten/Mischmasch

Einen Tag vorher haben wir schon drei verschiedene, sehr mayonaiselastige, Salate hergestellt für das Fest. Am 31.12. selbst sind wir früh aufgebrochen zur Großmutter meiner Gastgeberin. Es sollte ein Fest in kleinem Kreis sein, gerade einmal sieben Leute. Wir kamen an, schauten Fernsehen (das gehört dazu), aßen die Salate und Hühnchen. Eine kleine Flasche Wodka durfte nicht fehlen, die aber schnell leer war.






Mitternacht kam näher, aber festlicher wurde es nicht. Der Countdown hat kaum interessiert, es wurde sich nicht beglückwünscht, mir war seltsam zu Mute. Geschenke! Dann hab ich mal als erstes meine Geschenke verteilt und bekam da auch kaum freundliche Worte zurück, die Mutter meiner Gastgeberin schenkte mir ein Fotobuch (wie durchdacht) und es gab noch kleinere Geschenke.
Dann verschwanden fast alle in die Küche, ich schaute währenddessen weiter TV, ich wollte mir die Stimmung nicht mies machen lassen. Nach und nach kamen alle zurück, der Großvater mitsamt Samowar. Das ist ein traditionelles russisches Gefäß für Tee, den man auf den Tisch stellen kann. Ich fand das toll! Aber seine Tochter nicht so, sie machte ihm Vorwürfe, wieso er denn das Ding jetzt hinstellen muss. Es war 0:30 Uhr und wir machten uns auf den Heimweg. Sowas hab ich auch noch nicht erlebt. 



Irgendwas lief hier grundlegend schief

Meine Begründung dafür lag wohl im nicht gerade optimalen Familienverhältnis. Ich wusste schon länger zwischen Problemen meiner Gastgeberin und deren Mutter. Bei einem vorherigen Besuch war es schon sehr gezwungen. Deshalb dann auch keine große Wertschätzung eines Familienfeiertages.
Während der Autofahrt platzte jedoch die Bombe. Die Freundin meiner Gastgeberin und sie zofften sich und es ging dabei auch mich. Es waren Gefühle im Spiel, die so nicht angebracht waren, mehr möchte ich nicht dazu schreiben. Ich hab mich extrem unwohl gefühlt, habe ich doch nie unzweifelhaft gehandelt in meinen Augen.
Von da an war es in der Wohnung nur noch unangenehm. Ein Abend hatte alles geändert. Ich musste dort raus, das war mein Gefühl. Meine Gastgeberin sagte mir ins Gesicht, dass es ihr auch sehr unangenehm ist und ich nur noch da wohne, weil mein Gastgeber (ihr Mann) zu mir hält. 

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