Donnerstag, 19. September 2013

Anja Uhlmann - Tbilisi, Georgien



Anja Uhlmann - Tbilisi, Georgien
Auslandsaufenthalt vom 02.09. – 30.11.2013


„Du bist eine hübsche junge Frau. Kein Mädchen mehr. Du wirst heiraten, Kinder bekommen. Eine Familie haben. Ich bin ein alter, nein kein alter, aber ein fast alter Mann. Ich habe eine Frau und einen Sohn. Ich liebe sie, sie sind wunderbare Menschen. Wenn ich alt bin, mit 65, werde ich Tbilisi verlassen und auf ein Dorf gehen. Nicht weit von Tbilisi, maximal eine Stunde entfernt. Ich werde Früchte und Gemüse anbauen. Das werde ich dann essen ohne es zu waschen, denn es ist mein eigenes und wenn du kommst, dann kannst du es auch essen ohne es zu waschen. Es wird sehr gut sein. Wir werden über grüne Wiesen gehen, frische Milch von glücklichen Kühen und Fleisch von benachbarten Schweinen essen. Ich werde sie für dich schlachten. Meine Frau möchte nicht mit mir gehen. Sie sagt ich bin verrückt, aber ich will, ich werde gehen.“

Diese Aussage meines Gastvaters führt direkt in mein Interessensgebiet. Warum bin ich für ihn jetzt eine Frau? Vor drei Jahren war ich für alle Familienmitglieder ein Mädchen. Was gibt ihm Anlass mich jetzt Frau zu nennen? Ist es mein Alter, meine Kleidung, habe ich mich im Haushalt bewiesen, ein gebührliches Verhalten an den Tag gelegt oder ist es doch die Verlobung mit meinem Lebensgefährten? Noch weiß ich es nicht, kann nur Vermutungen anstellen.
Die Wohnung hat sich nicht verändert, alles ist noch am gleichen Platz. Die Renovierung wurde vertagt. Vom Balkon bietet sich ein herrlicher Blick über einen kleinen Teil der Stadt und das Riesenrad, was in der Nacht angestrahlt immer still zu stehen scheint.  


Die Hektik und der Stress einer Großstadt sind allgegenwärtig. Es ist niemals still. Hupende Autos, der Nachbar, der gerade seine Wohnung saniert, die Frau, die morgens ihre Milch im Innenhof lauthals anbietet. Ruhe findet sich nur im Park, der ist nicht weit. Ich laufe durch die Strassen, staune was sich alles verändert hat. Ist es wirklich erst drei Jahre her, dass ich das letzte Mal hier war? Es hat sich viel verändert. Einkaufszentren wurden aus dem Boden gestampft, Strassen saniert und neu gebaut. Die Struktur der Stadt hat sich verändert. Internationalität, Modernität ist das Ziel. 


Jetzt ist es dunkel. Der Strom ist ausgefallen. Mir wird eine Kerze gebracht. Meine Gastmutter fragt: „geht es dir gut, ist alles o. k.? Das ist normal hier, hab keine Angst.“ Ich habe keine Angst, jetzt weiß ich, ich bin angekommen. 
Dreizehn Wochen in Georgien: ein Sprachkurs an der Tbilisi State University, mein Studienprojekt, alte Bekannte treffen, neue kennenlernen und Aufenthalte in anderen Teilen des Landes sind das Ziel, aber alles mit der Ruhe. Entschleunigung ist angesagt, aus einer Minute werden schnell zehn. Aus einer Verabredung um 11 Uhr schnell eine Verabredung um 12 Uhr. Aus einem Ausflug heute schnell ein Ausflug morgen. Flexibilität ist angebracht. Deutsches Zeitmanagement ist zu verwerfen. Nur beim Essen, da muss ich pünktlich sein, sonst klingelt mein Telefon und eine besorgte Gastmutter fragt mich nach meinem Befinden. Ich passe mich wieder langsam an, lerne mich zu entspannen und es zu genießen.

2 Kommentare:

  1. Auch aus meinem Flurfenster konnte ich das Riesenrad und den Fernsehturm sehen. Sie beschreiben die Situation in der Stadt genau so, wie auch ich diese erlebt habe. Die Baustelle kenne ich auch. Nun bin ich wieder in Berlin und mächte gern wieder nach Tbilisi. Gruß und viel Erfolg bei den Studien - wenn nicht heute dann morgen oder übermorgen.

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  2. Nachtrag:
    www.go-geo.blogspot.com

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